Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 1 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil 1: Eine weltliche Kindheit und eine Erwähnung Saudi Arabiens. 

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 02 Aug 2010
  • Zuletzt verändert am 20 Oct 2010
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Arm Bester

Charles_Le_Gai_Eaton__Former_British_diplomat_(part_1_of_6)_001.jpgIch wurde in der Schweiz von britischen Eltern geboren, ein Kriegskind.  Zur Zeit meiner Geburt wurde der abschließende Friedensvertrag des Ersten Weltkriegs, der Vertrag mit der Türkei in der Nähe von Lausanne unterzeichnet.    Der größte Sturm, der das Gesicht der Welt verändert hatte, hatte sich zeitweilig selbst verausgabt, aber seine Auswirkungen waren überall erkennbar.  Alten Gewissheiten und der Sitte, die auf ihnen basierte, war ein Todesstoß versetzt worden.  Auch mein familiärer Hintergrund war mit dem Blut des Konflikts befleckt.  Mein Vater, bereits 67 als ich geboren wurde, war während der Kämpfe gegen Napoleon Bonaparte geboren worden.  Beide waren Soldaten…  

Auch wenn es so war, hätte ich wenigstens ein Heimatland gehabt.  Ich hatte keins.  Obwohl ich in der Schweiz geboren war, war ich kein Schweizer.  Meine Mutter war in Frankreich aufgewachsen und liebte Frankreich über alles, aber ich war nicht französisch.  War ich englisch?  Ich fühlte mich nie so.  Meine Mutter wurde nie müde, mich daran zu erinnern, dass Engländer kalt, dumm und geschlechtslos waren, ohne Verstand und ohne Kultur.  Ich wollte nicht wie sie sein.  Wohin - wenn überhaupt - gehörte ich?  Rückblickend scheint es mir, als wäre diese seltsame Kindheit eine gute Vorbereitung für meine Zugehörigkeit zum Islam gewesen.  Wo auch immer man geboren wurde und welcher Rasse auch immer man angehört, das Heimatland des Muslim ist Dar-ul-Islam, das Haus des Islam.  Sein Reisepass hier und im Jenseits ist das einfache Glaubensbekenntnis: La ilaha ill-Allah.  Er erwartet in dieser Welt keine Sicherheit oder Stabilität und muss die Tatsache immer im Hinterkopf behalten, dass ihn bereits morgen der Tod erwarten kann.  Er hat keine festen Wurzeln hier auf dieser zerbrechlichen Erde.  Seine Wurzeln sind über allem, in dem, das allein dauerhaft ist. 

Aber was ist mit dem Christentum?  Wenn mein Vater irgendwelche religiösen Überzeugungen gehabt hatte, hat er sie nie zum Ausdruck gebracht – obwohl er auf seinem Sterbebett mit fast 90 fragte: ´Gibt es da einen glücklichen Ort?´  Meine Erziehung war ganz meiner Mutter überlassen.  Vom Temperament her war sie nicht unreligiös, denke ich, aber sie war in einer religiösen Umgebung aufgewachsen, und sie stand dem, was gewöhnlich als organisierte Religion bezeichnet wird, feindlich gegenüber.  Einer Sache war sie sich sicher: ihr Sohn sollte frei sein, um selbst zu denken, und er sollte nie gezwungen sein, Meinungen aus zweiter Hand zu akzeptieren.  Sie war fest entschlossen, mich davor zu beschützen, die Religion satt zu haben.  Sie warnte eine Reihe von Kindermädchen, die kamen und gingen und uns während der Ferien nach Frankreich begleiteten, davor, dass sie sobald sie mir gegenüber Religion erwähnen, sofort gekündigt würden.  Als ich fünf oder sechs war, wurden ihre Anweisungen allerdings von einer jungen Frau missachtet, deren Ambition darin bestand, Missionarin in Arabien zu werden, um die Seelen der unwissenden Leute dort zu retten, die - wie sie mir erzählte -  in einem heidnischen Glauben, dem ´Moslemismus´, verloren waren.  Dies war das erste Mal, dass ich von Arabien hörte, und sie zeichnete mir eine Karte von diesem geheimnisvollen Land. 

Eines Tages machte sie mit mir einen Spaziergang hinter dem Wandsworth Gefängnis (wir wohnten zu jener Zeit in Wandsworth Common).  Ich muss mich irgendwie schlecht benommen haben, denn sie ergriff mich grob am Arm, zeigte auf die Gefängnistore und sagte: „Es gibt einen rothaarigen Mann im Himmel, der wird dich dort einschließen, wenn du ungezogen bist!“  Dies war das erste Mal, dass ich von ´Gott´ hörte und mir gefiel nicht, was ich hörte.  Denn aus irgendeinem Grund hatte ich Angst vor Männern mit roten Haaren (das muss sie gewusst haben) und dieser Besondere, Der hoch über den Wolken lebte, und Sich der Bestrafung ungezogener Jungen widmete, hörte sich sehr furchterregend an.  Ich befragte meine Mutter über Ihn, sobald wir zuhause angekommen waren.  Ich erinnere mich nicht mehr an das, was sie sagte, um mich zu trösten, aber das Mädchen wurde auf der Stelle entlassen. 

Wahrscheinlich viel später als die meisten Kinder wurde ich zur Schule geschickt oder eher zu einer ganzen Reihe von Schulen in England und in der Schweiz, bevor ich im Alter von 14 in Charterhouse landete.  Sicherlich mit Gottesdiensten in der Schulkapelle und ´Bibelkunde´, sollte das Christentum einen Eindruck auf mich gemacht haben?  Es machte überhaupt keinen Eindruck, weder auf mich noch auf meine Schulfreunde.  Dies schien mir nicht weiter erstaunlich.  Religion kann nicht überleben, ganz und wirkungsvoll, wenn sie sich nur auf einen einzigen Bereich des Lebens und der Erziehung bezieht.  Religion ist entweder alles oder nichts, entweder sie setzt alle profanen Studien herab oder wird von ihnen herabgesetzt.  Einmal oder zweimal pro Woche wurden wir über die Bibel belehrt, genau wie wir in anderen Fächern unterrichtet wurden.  Religion hatte anscheinend nichts zu tun mit den wichtigeren Studien, die das Rückgrat unserer Bildung formten.  Gott griff nicht in historische Geschehenisse ein, Er beschloss nicht die Phänomene, die wir im naturwissenschaftlichem Unterricht studierten, Er spielte keine Rolle in den derzeitigen Geschehenissen der Welt, die durch den Zufall regiert wurde und durch materielle Kräfte, das war zu verstehen, ohne Berufung auf irgendetwas, das hinter den Horizonten existieren könnte – oder nicht.  Gott war von den Notwendigkeiten überflüssig…

Und bald wollte ich die Bedeutung meiner eigenen Existenz kennen.  Nur diejenigen, die in ihren Leben irgendwann einmal diesen Bedarf verspürt haben, können seine Intensität einschätzen, vergleichbar mit physikalischem Hunger oder dem Geschlechtstrieb.  Ich fragte mich, wie ich einen Fuss vor den anderen setzen konnte, wenn ich nicht verstand, wohin ich ging und warum.  Ich konnte nichts machen, solange ich nicht verstand, welche Rolle meine Taten im Schema der Dinge spielen.  Alles, was ich wusste, war, dass ich nicht wusste – das heißt, nichts von wirklicher Bedeutung – und ich war wie gelähmt durch meine Unwissenheit, wie gefangen in einem dichten Nebel.

Arm Bester

Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 2 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil 2: Das persönliche Dilemma mit institutionalisierten Religionen. 

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 15 Feb 2010
  • Zuletzt verändert am 15 Feb 2010
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Arm Bester

Wo sollte ich nach Wissen suchen?  Mittlerweile war ich 15, ich hatte entdeckt, dass es etwas gab, das sich ´Philosophie´ nannte und dass das Wort ´Liebe des Wissens´ bedeutete.  Wissen war, was ich suchte, also musste die Befriedigung meines Bedüfnisses in diesen dicken Büchern verborgen sein, die von weisen Männern geschrieben worden waren.  Mit einem Gefühl intensiver Erregung wie ein Eroberer, der Land sichtet, durchfurchte ich Descartes, Kant, Hume, Spinoza, Schopenhauer und Bertrand Russell oder las in den Werken, die ihre Lehren erläuterten.  Nicht allzu lange später wurde mir bewusst, dass irgendetwas nicht richtig war.  Ich hätte genauso gut auch Sand essen können, um von dieser Quelle Nahrung zu erhalten.  Diese Männer wußten überhaupt nichts.  Sie spekulierten lediglich, ersponnen Ideen in ihren eigenen ärmlichen Köpfen, und jeder kann spekulieren (sogar ein Schuljunge).  Wie konnte ein 15 bis 16-Jähriger die Unverschämtheit besitzen und die gesamte westliche sekuläre Philosophie als wertlos bezeichnen?  Man braucht keine Reife, um zwischen dem, was der Qur´an als dhann (´Meinung´) bezeichnet, und wahrem Wissen zu unterscheiden.  Zur selben Zeit verpflichtete mich meine Mutter mit ihrer ständigen Beharrlichkeit, ich solle dem, was andere dachten oder sagten, keinerlei Beachtung schenken, dazu, meinem eigenen Urteil zu vertrauen.  Die westliche Kultur behandelte diese ´Philosophen´ als weise Männer und Studenten an den Universitäten studierten deren Werke respektvoll.  Aber was bedeuteten sie für mich?   

Einige Zeit später, als ich in der Sechsten war, machte ein Lehrer, der besonderes Interesse an mir hatte, eine seltsame Bemerkung, die ich nicht verstand.  ´Du bist´, sagte er, ´der einzige wirklich universale Skeptiker, den ich kenne.´  Er bezog das nicht speziell auf Religion.  Er meinte, ich schien alles anzuzweifeln, dass jeder andere als selbstverständlich voraussetzte.  Ich wollte wissen, warum es als sicher angenommen wurde, dass unsere Vernunft, die so gut geeignet ist, Nahrung, Schutz und einen Partner zu finden, eine Anwendung über die weltliche Sphäre hinaus habe.  Ich war von der Bemerkung verwirrt, dass von dem Gebot ´Du sollst nicht töten´ erwartet wurde, dass es für diejenigen, die weder Juden noch Christen waren, verbindlich wäre, und ich war nicht weniger verblüfft, warum in einer Welt voller hübscher Frauen die Regel der Monogamie als universale Anwendung betrachtet wurde.  Ich zweifelte sogar meine eigene Existenz an.  Lange danach hörte ich die Geschichte von einer chinesischen Saga: Chuangtzu, der eines Nachts geträumt hatte, er sei ein Schmetterling, stand auf, um zu fragen, ob er tatsächlich der Mann Chuangtzu sei, der geträumt hat, er sei ein Schmetterling, oder ein Schmetterling, der geträumt hat, er sei Chuangtzu.  Ich verstand sein Dilemma.    

Als mein Lehrer diese Bemerkung machte, hatte ich bereits einen Schlüssel zu dem, was sichereres Wissen sein könnte, entdeckt.  Durch Zufall – obwohl es so etwas wie ´Zufall´ nicht gibt – bin ich über das Buch mit dem Titel ´Der urzeitliche Qzean´, von einem gewissen Professor Perry, einem Ägyptologen, gestolpert.  Der Professor hatte die fixe Idee, dass die alten Ägypter in ihren Papyrusbooten durch Teile der Welt gereist seien und ihre Religion und Mythologie weit und breit verbreitet hätten.  Um seinen Fall zu beweisen, hat er mehrere Jahre damit verbracht, alte Mythologien zu erforschen und auch die Mythen und Symbole ´primitiver´Völker unserer Zeit.  Was er offenbarte, war eine erstaunliche Einstimmigkeit im Glauben, wie unterschiedlich die verschiedenen Bilder auch waren, mit denen der Glaube ausgedrückt wurde.  Er hatte seine Theorie über die Papyrusboote nicht bewiesen; er hatte, dachte ich, etwas ganz anderes bewiesen.  Es schien, dass es hinter der Tapete der Formen und Bilder bestimmte universelle Wahrheiten bezüglich des Wesens der Wirklichkeit, der Schöpfung der Welt und der Menschheit und der Bedeutung der menschlichen Erfahrung gäbe; Wahrheiten, die so sehr Teil von uns sind wie unser Blut oder unsere Knochen. 

Einer der Hauptgründe für den Unglauben in unserer modernen Welt ist die Vielfalt von Religionen, die sich gegenseitig zu widersprechen scheinen.  Solange die Europäer von der Überlegenheit ihrer eigenen Rasse überzeugt waren, hatten sie keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln, dass das Christentum der einig wahre Glaube sei.  Die Bemerkung, dass sie die ´Krone des Evolutionsprozesses´seien, machte es leicht anzunehmen, dass alle anderen Religionen nicht mehr als naïve Versuche darstellten, immer wiederkehrende Fragen zu beantworten.  Es war als diese rassische Selbstzufriedenheit nachließ, dass sich Zweifel einschlichen.  Wie war es für einen guten Gott möglich, zu erlauben, dass die Mehrheit der menschlichen Wesen im Dienste falscher Religionen lebten und starben?  War es dem Christen weiterhin möglich, zu glauben, dass er allein gerettet sein würde?  Andere behaupteten dasselbe – Muslime zum Beispiel – wie konnte also irgendjemand sicher sein, wer im Recht war und wer unrecht hatte?  Für viele Menschen, einschließlich mir selbst bis mir Perrys Buch in die Hände fiel, war die deutliche Schlussfolgerung, dass, da ja nicht jeder Recht haben kann, alle im Unrecht seien.  Religion war eine Illusion, das Produkt des Wunschdenkens.  Andere mögen es für möglich gehalten haben, ´wissenschaftliche Wahrheit´ durch religiöse Mythen zu ersetzen.  Ich konnte das nicht, denn Wissenschaft basierte auf Annahmen bezüglich der Unfehlbarkeit der Vernunft und der Wirklichkeit des mit den Sinnen Wahrgenommenen, was nie bewiesen werden kann.  

Als ich Perrys Buch las, wußte ich nichts vom Qur´an.  Das kam erst viel später, und das Bisschen, das ich vom Islam kannte, war von Vorurteilen zerstört, die sich in den tausend Jahren der Konfrontationen angestaut haben.  Und schon hatte ich, ohne es zu wissen, einen großen Schritt in Richtung des größten Rivalen des Christentums gemacht.  Der Qur´an versichert uns, dass kein Volk auf Erden ohne göttliche Führung und eine Doktrin der Wahrheit geblieben sei, überbracht von Gesandten Gottes, die immer mit den Menschen in deren eigenen ´Sprache´ gesprochen haben, passend zu ihren besonderen Umständen und ihren Bedürfnissen entsprechend.  Die Tatsache, dass derartige Botschaften im Laufe der Zeit verdreht wurden, bedarf keiner Erwähnung, und niemand sollte darüber erstaunt sein, dass sie verdreht worden sind, wenn sie von einer Generation zu anderen weitergereicht wurden, aber es wäre erstaunlich, auch wenn Jahrhunderte vergangen sind, keine Spuren hinterlassen worden wären.  Jetzt schien ich ganz im Einklang mit dem Islam zu glauben, dass diese Spuren, gekleidet in Mythen und Symbolen (der ´Sprache´ der Mensche früherer Zeiten) direkt von der offenbarten Wahrheit stammen und die letzte Botschaft bestätigen.  

Arm Bester

Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 3 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil 3: Weisheit des Verstandes, welche die menschliche Substanz nicht durchdringt und die Entdeckung Gottes.

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 22 Feb 2010
  • Zuletzt verändert am 20 Oct 2010
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Arm Bester

Von Charterhouse ging ich nach Cambridge, wo ich meine Pflichtstudien vernachlässigte, die mir trivial und langweilig zu sein schienen, zugunsten der einzigen Studie, auf die es ankam.  Es war im Jahr 1939.  Der Krieg war ausgebrochen, gerade bevor zur Universität ging; zwei Jahre noch, dann würde ich zur Armee kommen.  Es schien sehr wahrscheinlich, dass es den Deutschen gelingen wurde, mich zu töten, wie ich es immer von ihnen gedacht hatte.  Mir blieb nur ein wenig Zeit, in der ich die Antworten auf die Fragen, die immer noch Besitz von mir ergriffen hatten, finden konnte, aber dies brachte mich keiner der organisierten Religionen ein Stückhen näher.  Wie die meisten meiner Freunde schätzte ich die Kirche gering und auch all jene, die mit den Lippen einem Gott anbeteten, den sie nicht kannten; aber ich war bald gezwungen, diese Feindlichkeit zu dämpfen.  Ich erinnere mich nach über einem halben Jahrhundert noch deutlich an diese Szene.  Einige von uns hingen nach dem Abendessen in der Halle des Kings Colleges Kaffee trinkend herum.  Das Gespräch wechselte zur Religion.  Am Kopfende des Tisches saß ein Student der ersten Semester, der allgemein wegen seiner Intelligenz, seinem Witz und seiner Weltklugheit bewundert wurde.  In der Hoffnung, ihn zu beeindrucken, nutzte ich den Vorteil einer kurzen Stille und sagte: „Kein intelligenter Mensche glaubt heutzutage an den Gott der Religion!“  Er blickte mich ziemlich bedauernd an, bevor er antwortete: „Ganz im Gegenteil, heutzutage sind die intelligenten Menschen die einzigen, die an Gott glauben.”  Ich wäre am liebsten außer Sicht unter den Tisch versunken.  

Ich hatte allerdings einen weisen Freund, einen Mann, vierzig Jahre alt, meinen Senior, den ich absolut überzeugend fand.  Es war der Schriftsteller  L. H.  Myers, in jener Zeit als “der einzige philosophische Novelist, den England hervorgebracht hat“.  Sein Hauptwerk “Die Wurzel und die Blume” (‘The Root and the Flower’) beantwortete nicht nur viele dieser Fragen, die an mir nagten, sondern sie übermittelten mir einen hervorragenden Sinn für Gelassenheit verbunden mit Mitgefühl.  Es schien mir, dass Gelassenheit der größte Schatz sei, den man in diesem Leben besitzen könnte und dass Mitgefühl die größte Tugend sei.  Hier war sicherlich ein Mann, den kein Sturm erschütterte, und der den Tumult der menschlichen Existenz mit dem Auge der Weisheit überstand.  Ich schrieb ihm, und er antwortete prompt.  Die nächsten drei Jahre schrieben wir einander mindestens zweimal im Monat.  Ich schüttete ihm mein Herz aus, während er, in der Überzeugung, in diesem jungen Verehrer jemanden gefunden zu haben, der ihn tatsächlich verstand, antwortete auf die gleiche Art.  Zufällig trafen wir uns und dies untermauerte unsere Freundschaft. 

Also, nichts war so, wie es erschien.  Ich fing an, in seinen Briefen eine Note innerer Qualen, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit zu entdecken.  Als ich ihn fragte, ob er alle Gelassenheit in seine Bücher packte und nichts für sich selbst übrig ließ, antwortete er: „Ich denke, dein Kommentar war scharfsinnig und vielleicht wahr.“  Er hatte sein gesamtes Leben dem Trachten nach Vergnügungen und dem Streben nach ´Erfahrungen´ gewidmet (sowohl edel als auch schmutzig, wie er sagte).  Wenige Frauen, aus der High Society oder einfache, waren in der Lage gewesen, seiner erstaunlichen Kombination aus Reichtum, Charme und gutem Aussehen zu widerstehen; er, seinerseits, hatte keinen Grund, ihren Verführungen zu widerstehen.  Von Spiritualität und Mystizismus fasziniert, gehörte er keiner Religion an und gehorchte keinen konventionellen Moralgesetzen.  Jetzt fühlte er, dass er langsam alt wurde, und er konnte die Aussicht nicht ertragen.  Er hatte versucht, sich zu ändern und sogar seine Vergangenheit zu bereuen, aber es war zu spät.  Wenig mehr als drei Jahre nachdem unsere Korrespondenz begonnen hatte, beging er Selbstmord. 

Meine Zuneigung zu ihm hielt an und im gegebenen Moment nannte ich meinen ältesten Sohn nach ihm; aber Leo Myers Tod lehrte mich mehr, als ich von seinen Büchern lernen konnte, obgleich es einige Jahre dauerte, bis ich seine vollständige Bedeutung verstand.  Seine Weisheit hat nur in seinem Kopf bestanden.  Sie ist in seine menschliche Substanz nie eingedrungen.  Ein Mann kann sein gesamtes Leben damit verbringen, spirituelle Bücher zu lesen und die Schriften großer Mystiker zu studieren.  Er konnte fühlen, er sei in die Geheimnisse der Himmel und der Erde eingeweiht, aber solange dieses Wissen sich nicht auf sein Wesen auswirkt und ihn verändert, war es unfruchtbar.  Ich fing an, zu vermuten, dass ein kleiner, gläubiger Mann, der mit wenig Verständnis aber aus ganzem Herzen zu Gott betet, wertvoller sein könnte, als der gelehrteste Student der Geisteswissenschaften. 

Myers war grundsätzlich von einer Studie von Hindu Vedanta, der metaphysischen Doktrin im Kern des Hinduismus, beeinflusst gewesen.  Das Interesse meiner Mutter an Raja Yoga hatte mich bereits in diese Richtung gewiesen.  Vedanta galt jetzt mein Hauptinteresse und letztendlich führte mich dieser Weg zum Islam.  Dies wird auf die meisten Muslime schockierend wirken und jedermann in Erstaunen versetzen, der sich bewusst ist, dass die absolute Grundlage des Islam jeglichen Götzendienst kompromisslos verdammt, und doch ist mein Fall nicht der einzige.  Was auch immer die hinduistischen Massen glauben mögen, Verdanta ist eine Doktrin der reinen Einheit, der einzigartigen Wirklichkeit und steht daher für das, was der Islam als Tauhid bezeichnet.  Muslime sollten weniger Schwierigkeiten als andere damit haben, dass eine Doktrin der Einheit das Fundament in allen Religionen bildet, welche die Menschheit von Anfang an genährt haben, egal welchen götzendienerischen Illusionen ´den Juwel des Lotus´ überdeckt haben, genau wie der individuelle Götzendienst den Kern des Herzens überdeckt.  Wie könnte es sonst sein, da Tauhid die Wahrheit ist, und mit den Worten eines großen christlichen Mystikers, ´die Wahrheit ist dem Menschen angeboren´? 

Viel zu schnell endete meine Zeit in Cambridge, und ich wurde an das Royal Military College, Sandhurst, geschickt, das ich nach fünf Monaten als junger Offizier verließ, angeblich bereit, zu töten oder getötet zu werden.  Um mehr über die Kunst des Krieges zu lernen, wurde ich dann zu einem ´Zusatz´ wie sie es nannten, zu einem Regiment im Norden Schottlands geschickt.  Hier war ich mir selbst überlassen und verbrachte meine Zeit entweder mit Lesen oder Spaziergängen auf den gigantischen Granitklippen oberhalb der tosenden Nordsee.  Es war ein sehr stürmischer Ort, aber ich fühlte einen Frieden wie nie zuvor.  Je mehr ich von Verdanta las und auch von der alten chinesischen Doktrin des Taoismus, desto sicherer wurde ich, dass ich zumindest ein wenig Verständnis von den Naturdingen besaß und die ultimative Wirklichkeit, neben der alles andere nur wenig mehr als ein Traum war, wenn auch nur in Gedanken und Vorstellungen flüchtig betrachtet hatte.  Bis jetzt war ich nicht darauf vorbereitet, diese Wirklichkeit ´Gott´, geschweige denn Allah zu nennen. 

Arm Bester

Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 4 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil 4: T. S. Eliot und Gai’s erstes Buch.   

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 01 Mar 2010
  • Zuletzt verändert am 01 Mar 2010
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Arm Bester

Als ich die Armee verließ, fing ich an zu schreiben, um meine Gedanken so auf diese Weise zu ordnen und auszudrücken.  Ich schrieb über Vedanta, Taoismus und Zen Buddhismus, aber auch über manche westliche Autoren (einschließlich Leo Myers), die von diesen Doktrinen beeinflusst waren.  Durch einen Zufall traf ich den Dichter T.S.Eliot, der zu jener Zeit der Vorsitzende eines Verlags war, diese Essays wurden unter dem Titel: ‘The Richest Vein’ (“Die reichste Ader”), einem Zitat von Thoreau: ´Mein Instinkt sagt mir, dass mein Kopf ein Organ zum Graben ist, wenn auch manche Geschöpfe dazu ihre Schnauzen und Vorderpfoten benutzen, und mit ihm würde ich mir meinen Weg zwischen diesen Hügeln graben.  Ich denke, die reichste Ader ist hier irgendwo...´  Ich hatte einen neuen Führer durch die Hügel gefunden.  Ich hatte Rene Guenon entdeckt, einen Franzosen, der als Schaikh Abdul Wahed den größten Teil seines Lebens in Kairo verbracht hat. 

Guenon untergrub und dann, mit kompromissloser intellektueller Genauigkeit, zerstörte er alle Annahmen, die vom modernen Menschen, das heißt westlichen oder verwestlichten Menschen, als sicher vorausgesetzt wurden.  Viele andere hatten der Richtung, die die europäische Zivilisation seit der sogenannten ´Renaissance´ eingeschlagen hatte, kritisch gegenüber gestanden, aber keiner hatte es gewagt, so radikal wie er zu sein oder mit derartiger Kraft den Anspruch zu erheben, die Prinzipien und Werte, denen die westliche Kultur ausgeliefert ist, seien der Schuttgipfel der Geschichte.  Sein Thema war die ´ursprüngliche Tradition´ oder Sofia perennis, ausgedrückt – wie er meinte – sowohl in den antiken Mythologien als auch in der metaphysischen Doktrin in der Wurzel der großen Religionen.  Die Sprache dieser Tradition war die Sprache des Symbolismus, und es gab keinen seinesgleichen in der Interpretation dieses Symbolismus.  Er stellte die Vorstellung vom menschlichen Fortschritt auf den Kopf, ersetzte sie durch den Glauben an das, was vor dem modernen Zeitalter fast allgemeingültig war, dass die spirituelle Vorzüglichkeit des Menschen im Laufe der Zeit abnimmt und dass wir uns jetzt im Mittelalter befinden, das dem Ende vorausgeht, ein Zeitalter, in dem alle Möglichkeiten, welche die früheren Kulturen abgelehnt hatten, auf die Welt erbrochen werden; die Menge ersetzt die Qualität und die Dekadenz nähert sich ihrer endgültigen Grenze.  Keiner, der ihn las und verstand, konnte jemals wieder genau derselbe sein. 

Wie andere, deren Aussehen sich verändert hatte, nachdem sie Guenon gelesen hatten, war ich nun ein Fremder in der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts.  Seine Logik in seinen Überzeugungen hatten ihn dazu geführt, den Islam, die letzte Offenbarung, so wie sie war anzunehmen die Zusammenassung all dessen, was zuvor war.  Ich war dazu noch nicht bereit, aber ich lernte schon bald, meine Ansichten zu verbergen oder zumindest zu verschleiern.  Keiner kann in ständigem Widerstreit mit seinen Mitmenschen ein glückliches Leben führen, noch kann er mit ihnen einen Disput anfangen, denn er teilt nicht ihre Grundgedanken, ihre unausgesprochenen Annahmen.  Argumente und Diskussionsvoraussetzungen müssen bei allen Beteiligten eine gleiche Grundlage haben.  Wenn keine allgemeine Grundlage existiert, sind Verwirrung und Missverständisse unvermeidbar, wenn nicht sogar Ärger aufkommt.  Die Glaubensgrundlagen der zeitgenössischen Kultur werden nicht weniger leidenschaftlich verteidigt als bedingungsloser religiöser Glaube, wie während des Konflikts um Salman Rushdies Novelle ´Die satanischen Verse´deutlich wurde. 

Gelegentlich vergaß ich meinen Entschluss, mich nicht zu fruchtlosem Argumentieren hinreißen zu lassen.  Vor einigen Jahren war ich zu Gast bei einem Diplomatendinner in Trinidad.  Die junge Frau neben mir sprach mit einem christlichen Priester, einem Engländer, der ihr gegenüber saß.  Ich verfolgte halbherzig ihr Gespräch, als ich sie sagen hörte, dass sie sich nicht sicher sei, ob sie an den menschlichen Fortschritt glaube.  Der Priester antwortete ihr so hart und mit solcher Verachtung, dass ich mich nicht zurückhalten konnte, zu sagen: ´Sie hat eigentlich recht – so etwas wie Fortschritt existiert nicht!´  Da wandte er sich mir zu, sein Gesicht wurde wütend, und er antwortete: ´Wenn ich das denken würde, würde ich noch in genau dieser Nacht Selbstmord begehen.´  Da Selbstmord für Christen genauso eine große Sünde ist wie für Muslime, verstand ich zum ersten Mal das Ausmaß, den Fortschritt beim Glauben an eine ´bessere Zukunft´spielt und stillschweigend hat die Möglichkeit eines Paradieses auf Erden den Glauben an Gott und an das Jenseits verdrängt.  Nach den Schriften des abtrünnigen Priesters Teilhard de Chardin wird das Christentum zu einer Religion des Fortschritts reduziert.  Beraube den modernen westlichen Menschen dieses Glaubens und er ist verloren in einer Wildnis ohne Wegweiser. 

In der Zwischenzeit wurde ‘The Richest Vein’ herausgegeben, ich hatte England verlassen, um nach Jamaica zu reisen, wo ich einen Schulfreund hatte, der für mich irgendeine Arbeit finden würde, das wußte ich.  Auf dem Umschlag des Buches wurde ich als ´ein reifer Denker´ beschrieben.  Das Adjektiv ´reif´ war sonderbar unangemessen: als Mann, als Persönlichkeit war ich kaum der Jugendlichkeit entwachsen und Jamaica war ein idealer Ort, um jugendliche Phantasien auszuleben.  Nur wer einige Erfahrung vom Leben in Westindien in den unmittelbaren Nachkriegsjahren hat, kann die Freuden und die Versuchungen verstehen, die sich jenen bot, die ´Erfahrungen´ und sexuelle Abenteuer suchten.  Wie Myers besaß ich keine Moralvorstellungen, die mich davon hätten zurückhalten können.  Ich war verlegen, als ich anfing, Briefe von Leuten zu erhalten, die mein Buch gelesen hatten und dachten, ich sei ein alter Mann - ´mit einem langen, weißen Bart´ wie einer von ihnen schrieb – voller Weisheit und Mitgefühl.  Ich wünschte mir, ich könnte ihnen diese Illusion so schnell wie möglich nehmen und von der Verantwortung, die sie mir auferlegten, loskommen.  Eines Tages kam ein katholischer Priester auf die Insel, um mit Freunden zu bleiben; er hatte, wie er ihnen erzählte, gerade ein faszinierendes Buch gelesen von jemandem, der sich Gai Eaton nannte.  Er war überrascht zu hören, dass sich der Verfasser tatsächlich in Jamaica aufhielt und fragte, wie er mich treffen könne.  Seine Freunde nahmen ihn auf eine Party mit, von der ihnen gesagt worden war, dass sie mich dort vorfinden könnten.  Er wurde vorgestellt und sah einen verrückten jungen Mann vor sich.  Er blickte mich lange und durchdringend an, dann schüttelte er erstaunt seinen Kopf und sagte ruhig: ´Sie hätten dieses Buch nicht schreiben können!´

Arm Bester

Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 5 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil: 5 Ein Job in Kairo. 

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 08 Mar 2010
  • Zuletzt verändert am 08 Mar 2010
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Arm Bester

Er hatte recht, und ich sah die außerordentlichen Widersprüche in der menschlichen Natur, wie ich es beim Fall des Leo Myers und auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten seit dem getan hatte, und vor allem anderen sah ich den Abgrund, der allzu häufig den Autor, der seine Ansichten zu Papier bringt, von dem Mann, der er in seinem persönlichen Leben ist, trennt.  Während das Ziel des Islam darin besteht, eine vollkommene Harmonie zwischen verschiedenen Elementen der Persönlichkeit zu erreichen, damit sie harmonisch zusammenarbeiten, in dieselbe Richtung weisen und demselben geraden Weg folgen, ist es im Westen üblich, Menschen zu finden, die völlig unausgeglichen sind, die eine Seite ihrer selbst auf Kosten aller anderen entwickelt haben.  Ich habe mich so manches Mal gefragt, ob das Schreiben oder Sprechen über Weisheit nicht ein Ersatz dafür sein könnte.  Dies ist nicht genau der Fall von Heuchelei (obwohl die Aussage: ´Arzt heile dich selbst!´ passt), den solche Menschen sind völlig aufrichtig in dem, was sie schreiben oder sagen, tatsächlich könnte dies das beste in ihnen ausdrücken; aber sie können nicht danach leben. 

Nach zweieinhalb Jahren kehrte ich aus familiären Gründen nach England zurück.  Unter jenen, die mir geschrieben hatten, nachdem sie mein Buch gelesen haben, gab es zwei Männer, die sich tiefgründig mit den Schriften Guenons befasst hatten und diesem in den Islam gefolgt waren...  Ich traf sie.  Sie sagten mir, dass ich das, was ich offensichtlich suchte, weder in Indien noch in China finden würde, sondern näher bei meiner Heimat in der Tradition Abrahams...  Sie fragten, wann ich damit beginnen wolle, das, was ich predigte zu praktizieren und einen ´spirituellen Weg´ einzuschlagen.  Es wäre an der Zeit, so sagten sie freundlich aber bestimmt, so dass ich darüber nachdachte, das was ich bereits theoretisch kannte, in meinem eigenen Leben zu verkörpern.  Ich antwortete höflich aber ausweichend, ich besäße nicht die Absicht, ihren Ratschlägen zu folgen, bis ich um einiges älter sei und die Möglichkeiten der weltlichen Abenteuer ausgekostet habe.  Allerdings begann ich mit zunehmendem Interesse, über den Islam zu lesen. 

Dieses Interesse rief das Missfallen meines engsten Freundes hervor, der im Mittleren Osten gearbeitet und ein starkes Vorurteil gegen den Islam entwickelt hatte.  Die Bemerkung, dass diese grausame Religion eine spirituelle Dimension habe, erschien ihm absurd.  Es sei, so versicherte er mir, nichts als äußerlicher Formalismus, blinder Gehorsam unvernünftigen Verboten gegenüber, wiederholte Gebete, niedriger Fanatismus und Heuchelei.  Er erzählte mir Geschichten von muslimischen Praktiken, von denen er dachte, dass sie mich überzeugen würden.  Ich erinnere mich ein einen bestimmten Fall von einer jungen Frau, die unter großen Schmerzen im Krankenhaus im Sterben lag.  Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen, um auf die Füße zu kommen und ihr Eisenbett so zu drehen, dass sie beim Sterben in Richtung Mekka sehen konnte.  Mein Freund war von dem Gedanken angewidert, dass sie dieser ´dummen Übertreibung´ zuliebe, noch mehr Leiden auf sich genommen hatte.  Mir hingegen schien es eine wunderbare Geschichte zu sein.  Ich bewunderte den Glauben dieser jungen Frau, mit Abstand, als wäre es von einem irgendeinem Geisteszustand, den ich mir vorstellen könnte. 

Inzwischen konnte ich keine Arbeit finden und lebte in Armut.  Ich bewarb mich für fast jeden Job, den ich in den Annoncen fand, einschließlich als Assistenzlektor für englische Literatur an der Universität in Kairo.  Das war verrückt, dachte ich.  Ich hatte in Camebridge ein Diplom in Geschichte erhalten und wußte nichts über Literatur vor dem neunzehnten Jahrhundert.  Wie konnte ich hoffen, dass sie jemanden nehmen würden, der so unqualifiziert war?  Aber sie überlegten es sich und stellten mich ein.  Im Oktober 1950 im Alter von 29 Jahren brach ich auf nach Kairo, in gerade dem Moment, wo mein Interesse für den Islam Wurzeln schlug. 

Unter meinen Kollegen war ein englischer Muslim, Martin Lings, der in Ägypten sein Heim aufgeschlagen hatte.  Er war ein Freund Guenons, auch ein Freund der beiden Männer, mit denen ich in London gesprochen hatte und er ähnelte keinem, dem ich jemals zuvor begegnet war.  Er war die lebende Verkörperung von dem, was bis dahin nicht mehr als Theorien in meinem Kopf gewesen war, und ich wußte, dass ich schließlich jemanden getroffen hatte, der alles in einem war, vollständig und beständig.  Er lebte in einem traditionellen Heim außerhalb der Stadt und ihn und seine Frau zu besuchen, was ich fast jede Woche tat, war ein Schritt heraus aus dem lärmenden Stadtgetümmel Kairos und ein Eingang zu einer zeitlosen Zuflucht, in der das Innere und das Äußere ungetrennt waren und in der die angenommenen Realitäten der Welt, an die ich gewöhnt war, nur noch schemenhaft existierten.

Arm Bester

Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 6 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil 6: Ein Saatkorn trägt Früchte.    

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 15 Mar 2010
  • Zuletzt verändert am 15 Mar 2010
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Arm Bester

Ich brauchte eine Zuflucht.  Ich war verliebt in Jamaica, wenn es möglich ist, sich in einen Ort zu verlieben, und ich hasste Ägypten einfach nur, weil es nicht Jamaica war.  Wo waren meine blauen Berge, mein tropisches Meer, meine hübschen westindischen Mädchen?  Wie hatte ich überhaupt den einzigen Ort verlassen können, an dem ich mich jemals zuhause gefühlt hatte?  Aber das war nicht alles, weit entfernt; ich hatte nicht nur einen Ort verlassen, sondern auch eine junge Frau, ohne die das Leben jetzt leer und wenig lebenswert zu sein schien.  Ich lernte, was das Wort „Besessenheit“ wirklich bedeutet; eine schmerzhafte Lektion, aber eine nützliche für jemanden, der versucht, sich selbst und andere zu verstehen.  Nichts aus meinem früheren Leben hatte irgendeinen Wert; Realität war mein Bedürfnis nach dieser einen Person, die meine Gedanken von morgens bis abends beschäftigte und in meine Träume hineinstapfte.  Wenn ich in meinen Pflichtkursen den Studenten laut Liebesgedichte vorlas, rannen mir Tränen über die Wangen und sie sagten zu einander: „Das hier ist ein Engländer mit Herz.  Wir dachten alle Engländer wären kalt wie Eis“.

Diese Studenten, insbesondere eine kleine Senior-Gruppe von fünf oder sechs, waren ebenfalls eine Zuflucht.  Ich konnte Ägypten dafür hassen, dass ich 8 000 Meilen davon entfernt war, wo ich gerne gewesen wäre, aber ich liebte dies jungen Ägypter.  Ich erfreute mich an ihrer Wärme, an ihrer Offenheit und an dem Vertrauen, das sie in mich setzten, dass ich ihnen beibringen wurde, was sie wissen mussten; und schon bald began ich, ihren Glauben zu lieben, denn diese jungen Leute waren gute Muslime.  Ich hatte keine Zweifel mehr.  Wenn ich es für möglich gehalten habe, mich einer Religion anzuschließen – mich von einer Religion eingrenzen zu lassen – konnte dies nur der Islam sein.  Aber jetzt noch nicht!  Ich dachte an St. Augustins Gebet: “Herr, mache mich keusch, aber noch nicht jetzt”, in dem Wissen, dass zu allen Zeiten andere junge Männer dachten, sie hätten einen Ozean an Zeit vor sich, um mit derselben Einschränkung um Keuschheit oder Frömmigkeit gebetet hatten; und viele wurden in demselben Zustand vom Tod überrascht. 

Es blieb sich gleich, möglicherweise wurde ich mein Zögern nie überwinden.  Mit der Absicht, bei Gelegenheit den Islam anzunehmen, hätte ich die Entscheidung vielleicht Jahr für Jahr vor mir her geschoben und dann immernoch gesagt: „Noch nicht jetzt!“  wenn mich das Alter überkam.  Aber es sind nicht alle Dinge gleich.  Die Sehnsucht nach Jamaica und nach dieser Person wuchs im Verlauf der Monate an, anstatt sich zu vermindern, als würde es sich selbst nähren.  Eines Morgens machte ich die Entdeckung, dass mich nur der Geldmangel davon abhielt, zu der Insel zurückzukehren.  Ich zog Erkundigungen ein und fand heraus, dass ich die Reise auf dem Deck eines Dampfers für £70 machen könnte.  Ich war mir sicher, dass ich die Summe bis zum Ende der Semesters sparen konnte, und mein Leben war sofort wie verändert.  In dem Wissen, dass der Ausweg nahe war, konnte ich sogar anfangen, Kairo zu genießen.  Aber eine Frage verlangte jetzt nach einer festen Antwort, und die Antwort konnte nicht weiter verschoben werden.  Die Gelegenheit in den Islam einzutreten, könnte nie wieder kommen.  Vor mir war eine offene Tür.  Ich dachte, wenn ich jetzt nicht hindurchgehe, könnte sich die Tür für immer schließen.  Ich wußte bereits, was für ein Leben ich in Jamaica führen wurde und zweifelte, ob ich die Charakterstärke haben würde, in dieser Umgebung als Muslim zu leben.  

Ich erwartete mit gutem Grund, dass es für die anderen Menschen schockierend scheinen musste, und nicht nur für meine Mitmuslime.  Ich entschied, wenn ich ´das Saatkorn in meinem Herzen´ pflanzte,  den Islam in der Hoffnung anzunehmen, dass das Saatkorn eines Tages keimen und zu einer gesunden Pflanze heranwachsen würde.  Ich will hierfür keine Entschuldigungen hervorbringen, und ich würde niemanden rügen, der mich wegen der Unaufrichtigkeit und einer falschen Absicht beschuldigt.  Aber es ist möglich, dass sie Gottes Bereitschaft, der menschlichen Schwäche zu vergeben, unterschätzen und Seine Kraft eine Pflanze und Frucht aus einem Saatkorn hervorzubringen, das in unfruchtbarem Boden gesät wurde.  Auf jeden Fall war ich unter einer Art von Zwang, und ich wusste, was ich zu tun hatte.  Ich ging zu Martin Lings, sprudelte meine Geschichte hervor und bat ihn, meine Schahada, mein Glaubensbekenntnis, anzunehmen.  Obwohl er zuerst zögerte, machte er es.  Voller Furcht und auch freudig, betete ich zum ersten Mal in meinem Leben.  Am nächsten Tag fastete ich, weil Ramadhan war, etwas, das ich nie zuvor gedacht hatte, dass ich es tun könnte.  Bald danach erzählte ich meinen Senior-Studenten die Neuigkeiten und ihre Freude war wie eine warme Umarmung.  Ich hatte zuvor gedacht, dass ich ihnen nahe war, aber jetzt verstand ich, dass es immer eine Grenze zwischen uns gegeben hatte.  Jetzt war die Grenze niedergerissen, und ich war als ihr Bruder akzeptiert.  In den sechs Wochen, die vor meiner heimlichen Abreise noch blieben (ich hatte meinem Vorsitzenden nicht erzählt, dass ich gehen würde) kam jeden Tag einer von ihnen, um mir Qur´an beizubringen.  Ich betrachtete mein Spiegelbild.  Das Gesicht war dasselbe, aber es verhüllte eine andere Person.  Ich war Muslim!  Immer noch in einem Zustand des Erstaunens ging ich in Alexandria an Bord und segelte einer ungewissen Zukunft entgegen. 

Arm Bester

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