Charles Le Gai Eaton, ehemaliger britischer Diplomat (teil 5 von 6)

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Beschreibung: Die Suche nach der Wahrheit eines Philosophen und Schriftstellers im Angesicht eines ständigen inneren Kampfes um die Harmonisierung von Glaube und Tat.  Teil: 5 Ein Job in Kairo. 

  • von Gai Eaton
  • Veröffentlicht am 08 Mar 2010
  • Zuletzt verändert am 08 Mar 2010
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Arm Bester

Er hatte recht, und ich sah die außerordentlichen Widersprüche in der menschlichen Natur, wie ich es beim Fall des Leo Myers und auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten seit dem getan hatte, und vor allem anderen sah ich den Abgrund, der allzu häufig den Autor, der seine Ansichten zu Papier bringt, von dem Mann, der er in seinem persönlichen Leben ist, trennt.  Während das Ziel des Islam darin besteht, eine vollkommene Harmonie zwischen verschiedenen Elementen der Persönlichkeit zu erreichen, damit sie harmonisch zusammenarbeiten, in dieselbe Richtung weisen und demselben geraden Weg folgen, ist es im Westen üblich, Menschen zu finden, die völlig unausgeglichen sind, die eine Seite ihrer selbst auf Kosten aller anderen entwickelt haben.  Ich habe mich so manches Mal gefragt, ob das Schreiben oder Sprechen über Weisheit nicht ein Ersatz dafür sein könnte.  Dies ist nicht genau der Fall von Heuchelei (obwohl die Aussage: ´Arzt heile dich selbst!´ passt), den solche Menschen sind völlig aufrichtig in dem, was sie schreiben oder sagen, tatsächlich könnte dies das beste in ihnen ausdrücken; aber sie können nicht danach leben. 

Nach zweieinhalb Jahren kehrte ich aus familiären Gründen nach England zurück.  Unter jenen, die mir geschrieben hatten, nachdem sie mein Buch gelesen haben, gab es zwei Männer, die sich tiefgründig mit den Schriften Guenons befasst hatten und diesem in den Islam gefolgt waren...  Ich traf sie.  Sie sagten mir, dass ich das, was ich offensichtlich suchte, weder in Indien noch in China finden würde, sondern näher bei meiner Heimat in der Tradition Abrahams...  Sie fragten, wann ich damit beginnen wolle, das, was ich predigte zu praktizieren und einen ´spirituellen Weg´ einzuschlagen.  Es wäre an der Zeit, so sagten sie freundlich aber bestimmt, so dass ich darüber nachdachte, das was ich bereits theoretisch kannte, in meinem eigenen Leben zu verkörpern.  Ich antwortete höflich aber ausweichend, ich besäße nicht die Absicht, ihren Ratschlägen zu folgen, bis ich um einiges älter sei und die Möglichkeiten der weltlichen Abenteuer ausgekostet habe.  Allerdings begann ich mit zunehmendem Interesse, über den Islam zu lesen. 

Dieses Interesse rief das Missfallen meines engsten Freundes hervor, der im Mittleren Osten gearbeitet und ein starkes Vorurteil gegen den Islam entwickelt hatte.  Die Bemerkung, dass diese grausame Religion eine spirituelle Dimension habe, erschien ihm absurd.  Es sei, so versicherte er mir, nichts als äußerlicher Formalismus, blinder Gehorsam unvernünftigen Verboten gegenüber, wiederholte Gebete, niedriger Fanatismus und Heuchelei.  Er erzählte mir Geschichten von muslimischen Praktiken, von denen er dachte, dass sie mich überzeugen würden.  Ich erinnere mich ein einen bestimmten Fall von einer jungen Frau, die unter großen Schmerzen im Krankenhaus im Sterben lag.  Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen, um auf die Füße zu kommen und ihr Eisenbett so zu drehen, dass sie beim Sterben in Richtung Mekka sehen konnte.  Mein Freund war von dem Gedanken angewidert, dass sie dieser ´dummen Übertreibung´ zuliebe, noch mehr Leiden auf sich genommen hatte.  Mir hingegen schien es eine wunderbare Geschichte zu sein.  Ich bewunderte den Glauben dieser jungen Frau, mit Abstand, als wäre es von einem irgendeinem Geisteszustand, den ich mir vorstellen könnte. 

Inzwischen konnte ich keine Arbeit finden und lebte in Armut.  Ich bewarb mich für fast jeden Job, den ich in den Annoncen fand, einschließlich als Assistenzlektor für englische Literatur an der Universität in Kairo.  Das war verrückt, dachte ich.  Ich hatte in Camebridge ein Diplom in Geschichte erhalten und wußte nichts über Literatur vor dem neunzehnten Jahrhundert.  Wie konnte ich hoffen, dass sie jemanden nehmen würden, der so unqualifiziert war?  Aber sie überlegten es sich und stellten mich ein.  Im Oktober 1950 im Alter von 29 Jahren brach ich auf nach Kairo, in gerade dem Moment, wo mein Interesse für den Islam Wurzeln schlug. 

Unter meinen Kollegen war ein englischer Muslim, Martin Lings, der in Ägypten sein Heim aufgeschlagen hatte.  Er war ein Freund Guenons, auch ein Freund der beiden Männer, mit denen ich in London gesprochen hatte und er ähnelte keinem, dem ich jemals zuvor begegnet war.  Er war die lebende Verkörperung von dem, was bis dahin nicht mehr als Theorien in meinem Kopf gewesen war, und ich wußte, dass ich schließlich jemanden getroffen hatte, der alles in einem war, vollständig und beständig.  Er lebte in einem traditionellen Heim außerhalb der Stadt und ihn und seine Frau zu besuchen, was ich fast jede Woche tat, war ein Schritt heraus aus dem lärmenden Stadtgetümmel Kairos und ein Eingang zu einer zeitlosen Zuflucht, in der das Innere und das Äußere ungetrennt waren und in der die angenommenen Realitäten der Welt, an die ich gewöhnt war, nur noch schemenhaft existierten.

Arm Bester

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