Jerald F. Dirks, Priester der Vereinigten Methodistenkirche, USA (teil 2 von 4)

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Beschreibung: Das frühe Leben und die Ausbildung des "Harvard Hollis" Gelehrten und Autor des Buches “The Cross and the Crescent” (Das Kreuz und der Halbmond), desillusioniert vom Christentum durch die an der Schule für Theologie erlernten Informationen. Teil2: Mangel an Religiösität, Kontakt mit Muslimen, Selbstbefragung und die Antwort.

  • von Jerald F. Dirks
  • Veröffentlicht am 29 Sep 2008
  • Zuletzt verändert am 29 Sep 2008
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Arm Bester

Als die Jahre vergingen, wurde ich mehr und mehr besorgt über das Verschwinden der Religiösität in Amerikas Gesellschaft.  Religiösität ist ein Leben, Atmen, spirituell und moralisch in jedem Einzelnen und darf nicht verwechselt werden mit Religiösität, die sich mit den Riten, Ritualen und formalisierten Glaubensgrundsätzen einer organisierten Gesamtheit äußert zB. der Kirche.  Amerikas Kultur schien zunehmend ihren religiösen und moralischen Kompass zu verlieren.  Zwei von drei Ehen endeten mit Scheidungen; Gewalt wurde an unseren Schulen und auf unseren Straßen immer mehr verbreitet, Selbstverantwortung wurde immer rückläufiger, Selbstdisziplin wurde durch eine "wenn du dich gut fühlst, tu es" – Moral ersetzt, verschiedene christliche Führer und Institutionen fielen durch Skandale sexueller und finanzieller Art auf und Gefühle rechtfertigten Benehmen, wie abstoßend es auch sein mochte.  Die amerikanische Kultur wurde zu einer moralisch bankrotten Institution und ich fühlte mich bei meiner persönlichen religiösen Nachtwache ziemlich allein.

Es war an diesem Punkt, als ich begann, Kontakt mit der örtlichen muslimischen Gemeinde aufzunehmen.  Ein paar Jahre zuvor hatten meine Frau und ich aktiv Nachforschungen über die Geschichte des arabischen Pferdes angestellt.  Um die Übersetzungen verschiedener arabischer Dokumente zu sichern, brachten uns diese Forschungen in Kontakt mit arabischen Amerikanern, die Muslime waren.  Unser erster Kontakt dieser Art war mit Jamal im Sommer 1991.

Nach anfänglichen Telefongesprächen besuchte uns Jamal zu Hause und bot uns an, ein paar Übersetzungen für uns zu machen und uns dabei zu helfen, uns durch die Geschichte des Araberpferdes im Mittleren Osten zu führen.  Bevor uns Jamal an jenem Nachmittag verließ, fragte er, ob er unser Bad benutzen könne, um sich vor seinem vorgesehenen Gebet zu waschen; und ob wir ihm ein Stück Zeitung als Gebetsmatte leihen können, damit er beten kann, bevor er unser Haus verlässt.  Natürlich erwiesen wir ihm diese Gefälligkeit, aber wir fragten uns, ob wir ihm nicht etwas passenderes als eine Zeitung geben könnten.  Ohne dass wir es zu jener Zeit bemerkten, machte Jamal eine wunderbare Art der Dawa (Predigt oder Mahnung).  Er machte keine Bemerkung über die Tatsache, dass wir keine Muslime waren und er predigte uns nichts über seine religiösen Ansichten.  Er zeigte uns "lediglich" sein Beispiel, ein Beispiel, das Bände sprach, wenn man nur willens war, die Lektion anzunehmen. 

In den folgenden 16 Monaten steigerte sich der Kontakt mit Jamal langsam auf zweiwöchentlich bis wöchentlich.  Während seiner Besuche predigte Jamal nie über den Islam, befragte mich nie über meine eigenen religiösen Ansichten oder Überzeugungen und schlug mir nie vor, Muslim zu werden.  Trotzdem begann ich, eine Menge zu lernen.  Erstens: da war das andauernde gute, beispielhafte Verhalten, wie Jamal seine vorgeschriebenen Gebetszeiten einhielt.  Zweitens: da war das beispielhafte Verhalten geprägt von hohen moralischen und ethischen Werten, mit denen Jamal sein tägliches Leben sowohl im geschäftlichen wie auch im zwischenmenschlichen Bereich führte.  Drittens: da war das beispielhafte Verhalten, wie Jamal mit seinen beiden Kindern umging.  Meiner Frau erging es mit Jamals Frau ähnlich.  Viertens: immer in dem Rahmen, mir zu helfen, die Geschichte des arabischen Pferdes im Mittleren Osten verstehen zu lernen, begann Jamal folgendes Wissen mit mir zu teilen: 1) Geschichten aus der arabischen und islamischen Geschichte; 2) Aussagen des Propheten Muhammad, Gottes Segen und Frieden seien mit ihm, und 3) Qur´anverse und deren Bedeutung im Kontext.  Im Endeffekt enthielt jeder Besuch mittlerweile mindestens 30 Minuten Gespräche, die sich um manche Aspekte des Islam drehten, aber immer so dargestellt, dass sie mir helfen sollten, den Zusammenhang des Islam mit der Geschichte des arabischen Pferdes intellektuell zu verstehen.  Mir wurde nie gesagt: "das ist eben so", mir wurde höchstens gesagt: "das glauben Muslime".  Da mir nicht "gepredigt" wurde und da mich Jamal nie nach meinem eigenen Glauben befragte, brauchte ich mich auch nie für meinen Glauben rechtfertigen.  Alles war wie eine intellektuelle Übung, nicht wie eine Bekehrung. 

Nach und nach begann Jamal, uns mit anderen arabischen Familien in der lokalen muslimischen Gemeinschaft bekannt zu machen.  Da war Wa´iel und seine Familie und noch ein paar andere.  Immer wieder beobachtete ich Leute und deren Familien, die ihr Leben auf einem wesentlich höheren ethischen Niveau lebten, als die amerikanische Gesellschaft, zu der wir gehörten.  Möglicherweise war es etwas wie dieses Praktizieren im Islam, das mir in meinen Tagen im College und dem Priesterseminar gefehlt hatte.

Im Dezember 1992 fing ich an, mir ernsthafte Fragen darüber, wo ich war und was ich tat, zu stellen.  Diese Fragen führten zu folgenden Überlegungen:

1)    Im Verlauf der vergangenen 16 Monate hatte sich unser gesellschaftliches Leben mehr und mehr auf den arabischen Teil der lokalen muslimischen Gemeinschaft konzentriert.  Bis Dezember verbrachten wir vielleicht 75% unseres sozialen Lebens mit arabischen Muslimen.

2)    Durch meine Ausbildung im Seminar wußte ich, wie sehr die Bibel verändert worden war (oft genug wußte ich auch genau, wann, wo und warum), ich hatte keinerlei Glauben an eine dreieinige Gottheit und ich besaß keinerlei Glauben an mehr als eine metaphorische "Sohnschaft" Jesu, Gottes Segen und Frieden seien mit ihm.  Kurz gesagt, während ich sicherlich an Gott glaubte, war ich doch ein ebenso strikter Monotheist wie meine muslimischen Freunde. 

3)    Meine persönlichen Werte und Moralvorstellungen entsprachen eher denen meiner muslimischen Freunde als denen der "christlichen" Gesellschaft um mich herum.  Nach alledem hatte ich die nicht-konfrontierenden Beispiele von Jamal, Khalid und Wa´iel als Beispiele.  Kurz gesagt, meine nostalgische Sehnsucht nach der Art von Gemeinschaft, wie die, in der ich aufgewachsen bin, fand ihre Genugtuung in der muslimischen Gemeinschaft.  Die amerikanische Gesellschaft mochte moralisch bankrott sein, aber dies schien für diesen Teil der muslimische Gesellschaft, mit der ich Kontakt hatte, nicht der Fall zu sein.  Die Ehen waren stabil, Ehegatten waren einander verbunden, und Aufrichtigkeit, Integrität, Selbst-verantwortlichkeit und Familienwerte wurden betont.  Meine Frau und ich hatten versucht, unsere Leben auf dieselbe Art zu leben, aber seit ein paar Jahren fühlte ich, dass wir uns in einem Millieu des moralischen Vakuums befanden.  Die muslimische Gemeinde schien anders zu sein.

Die verschiedenen Fäden verwoben sich zu einem einzigen Strang.  Arabische Pferde, das Aufwachsen in meiner Kindheit, meine Einschreibung in das Priesterseminar und meine Ausbildung, meine nostalgische Sehnsucht nach einer moralisch intakten Gesellschaft und mein Kontakt zu der muslimischen Gemeinde wurden kompliziert miteinander verflochten.  Meine Selbstbefragung kam zu ihrem Höhepunkt, als ich mich schließlich fragte, was mich von dem Glauben meiner muslimischen Freunde trennte.  Ich vermute, ich hätte diese Frage auch mit Jamal oder Khalid klären können, aber zu diesem Schritt war ich noch nocht bereit.  Ich hatte mit ihnen noch nie über meine religiösen Ansichten diskutiert, und ich dachte nicht, dass ich dieses Gesprächsthema in unsere Freundschaft einbringen wollte.  Also begann ich, aus dem Bücherregal alle Bücher über den Islam herauszuholen, die ich in meinen Tagen am College und im Seminar erworben hatte.  Wie weit meine eigenen Ansichten sich auch von der traditionellen Position der Kirche entfernt hatten, und wie selten ich tatsächlich die Kirche besuchte, ich identifizierte mich trotzdem noch als Christ und so wandte ich mich den Werken der westlichen Gelehrten zu.  Jenen Dezember las ich so ungefähr ein halbes Dutzend Bücher von westlichen Gelehrten über den Islam, einschließlich einer Biographie des Propheten Muhammad, Gottes Segen und Frieden seien mit ihm.  Außerdem fing ich an, zwei verschiedene Übersetzungen der Bedeutung des Qur´an zu lesen.  Ich sprach nie mit meinen muslimischen Freunden über meine persönliche Selbstfindung.  Ich erwähnte nie, was für Bücher ich gerade las, noch sprach ich darüber, warum ich sie las.  Wie auch immer, bei Gelegenheit würde ich einem von ihnen eine sehr präzise Frage stellen. 

Ich sprach zwar nie mit meinen muslimischen Freunden über diese Bücher, meine Frau und ich hatten jedoch zahlreiche Gespräche über das, was ich las.  In der letzten Dezemberwoche 1992 war ich gezwungen, zuzugeben, dass ich in keinem Bereich tatsächliche Unstimmigkeiten zwischen meinen eigenen religiösen Ansichen und den allgemeinen Glaubensgrundlagen des Islam gefunden habe.  Während ich schon bereit war, anzuerkennen, dass Muhammad, Gottes Segen und Frieden seien mit ihm, ein Prophet Gottes gewesen war (der aus Inspiration sprach) und während ich absolute keine Schwierigkeiten damit hatte, zu bestätigen, dass es keine Gottheit außer Gott gibt, Gepriesen und Erhaben ist Er, zögerte ich noch immer, meine Entscheidung zu treffen.  Ich konnte ohne Weiteres zugeben, dass ich weitaus mehr mit den islamischen Glaubensgrundsätzen gemein hatte, je mehr ich sie verstand, als ich es mit dem traditionellen Christentum der organisierten Kirche jemals gehabt hatte.  Ich wusste nur zu gut, dass ich durch das Wissen aus dem Seminar das meiste, was der Qur´an über das Christentum, die Bibel und Jesus, Gottes Segen und Frieden seien mit ihm, sagt, durchaus bestätigen konnte.

Arm Bester

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