Jerald F. Dirks, Priester der Vereinigten Methodistenkirche, USA (teil 3 von 4)
Beschreibung: Das frühe Leben und die Ausbildung des "Harvard Hollis" Gelehrten und Autor des Buches “The Cross and the Crescent” (Das Kreuz und der Halbmond), desillusioniert vom Christentum durch die an der Schule für Theologie erlernten Informationen. Teil3: Psychologische Spiele und der Kampf sich zu stellen.
- von Jerald F. Dirks
- Veröffentlicht am 06 Oct 2008
- Zuletzt verändert am 06 Oct 2008
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Nichtsdestotrotz zögerte ich. Außerdem erklärte ich mir meine Zurückhaltung damit, dass ich die genauen Einzelheiten des Islam noch nicht kannte und die Gebiete, mit denen ich einverstanden war, bezogen sich auf die allgemeinen Konzepte. Also fuhr ich damit fort, zu lesen und dann nochmals zu lesen.
Unser Identitätssinn ist eine sehr kräftige Bestätigung unserer eigenen Position im Kosmos. In meinem Beruf wurde ich gelegentlich gerufen, um bestimmte Neigungen, vom Rauchen bis zum Alkohol und Drogenmissbrauch zu behandeln. Als Kliniker wusste ich, dass die Basis der physischen Neigung überwunden werden muss, um eine anfängliche Abstinenz zu erzeugen. Das war der leichte Teil der Behandlung. Wie Mark Twain einmal sagte: "Rauchen aufzugeben, ist einfach, ich habe es mehrere hundert Mal gemacht." Wie auch immer, ich wusste auch, dass der Schlüssel diese Abstinenz über eine ausgedehnte Zeitspanne aufrechtzuerhalten, bedeutete, die psychologische Neigung des Patienten zu überwinden, die tief in Identitätssinn des Patienten gründet, d.h. der Patient identifiziert sich selbst als "Raucher" oder als "Trinker", usw. Diese Neigung war ein wesentlicher Bestandteil seines Identitätssinns geworden, ein untrennbarer Teil seines Ichs. Diesen Identitätssinn zu verändern war ein wesentlicher Bestandteil der psychotherapeutischen "Behandlung". Dies war der schwierige Teil der Behandlung. Den Identitätssinn einer Person zu verändern, ist die schwierigste Aufgabe. Die Psyche eines Menschen tendiert dazu, an alten und bekannten Dingen festzuhalten, was psychologisch bequemer und sicherer zu sein scheint als das Neue und Unbekannte.
Im professionellen Bereich besaß ich das eben zusammengefasste Wissen und nutzte es täglich. Wie die Ironie es wollte, war ich noch nicht bereit, es bei mir selbst und dem Thema meines eigenen Zögerns um meine religiöse Identität anzuwenden. 43 Jahre lang wurde meine religiöse Identität als "Christ" bezeichnet, egal was im Laufe der Zeit noch zu dieser Bezeichnung hinzugekommen sein mag. Diese persönliche Identität einfach so aufzugeben, war keine leichte Aufgabe. Es war ein wesentlicher Bestandteil dessen, wie ich mein Sein identifizierte. Wenn man die Einsicht nutzt, ist klar, dass mein Zögern den Zweck verfolgte, sicherzustellen, dass ich meine bekannte religiöse Identität als Christ behalten könnte, allerdings als Christ, der glaubt, wie ein Muslim glaubt.
Es war ziemlich am Ende vom Dezember und meine Frau und ich füllten unsere Antragsformulare für die U.S.-Reisepässe aus, damit eine geplante Reise in den Mittleren Osten endlich Wirklichkeit werden konnte. Eine der Fragen hatte mit der Religionszugehörigkeit zu tun. Ich dachte nicht einmal darüber nach und fiel automatisch in das Alte und Bekannte zurück, als ich "Christ" eintrug. Es war einfach, es war bekannt und es war bequem.
Allerdings wurde das Bequeme vorübergehend unterbrochen, als mich meine Frau fragte, wie ich die Frage bezüglich der religiösen Zugehörigkeit auf dem Formular beantwortet hätte. Ich antwortete sofort "Christ" und kicherte hörbar. Nun, eine von Freuds Beiträgen über die menschlichen Psyche war seine Realisierung, dass Lachen häufig die Entspannung nach psychologischer Anspannung ist. Wie falsch Freud auch in mancherlei Aspekten seiner Theorie über psychosexuelle Entwicklung liegen mag, seine Einsichten über das Lachen treffen genau ins Schwarze. Ich hatte gelacht! Was war diese psychische Anspannung, die ich durch das Mittel des Lachens lösen musste?
Dann beeilte ich mich, meiner Frau eine kurze Bestätigung zu bieten, dass ich ein Christ und kein Muslim sei. Worauf sie freundlich antwortete, dass sie lediglich gefragt habe, ob ich "Christ", "Protestant" oder "Methodist" geschrieben hätte. Auf professioneller Basis wusste ich, dass eine Person sich nicht gegen eine Anschuldigung verteidigt, die nicht gemacht worden war. (Wenn mein Patient im Verlauf der psychotherapeutischen Sitzung herausplatzt: "Ich bin darauf nicht wütend," und ich habe das Thema Ärger gar nicht angesprochen, ist klar, dass mein Patient das Gefühl hat, er müsse sich selbst gegen eine Last, die sein eigenes Unterbewusstsein hervorruft, verteidigen. Kurz gesagt, er ist wirklich wütend, aber er ist nicht breit, es zuzugeben oder damit umzugehen.) Wenn meine Frau die Beschuldigung, d.h. "du bist ein Muslim", nicht ausgesprochen hat, dann muss diese Beschuldigung von meinem Unterbewusstsein gekommen sein, denn ich war die einzige anwesende Person. Ich war mir dessen bewusst, aber ich zögerte noch immer. Dieses religiöse Etikett, das seit 43 Jahren an meinem Identitätssinn klebte, war nicht so leicht zu entfernen.
Ungefähr ein Monat war seit der Frage meiner Frau vergangen. Es war nun spät im Januar 1993. Ich hatte alle Bücher über den Islam von westlichen Gelehrten wieder weggeräumt, nachdem ich sie alle gründlich gelesen hatte. Die beiden Qur´anübersetzungen standen wieder im Bücherregal und ich las gerade eine dritte Übersetzung der Bedeutung des Qur´an. Möglicherweise würde ich in dieser Übersetzung eine Rechtfertigung finden für…
Meinen Lunch nahm ich üblicherweise in einem örtlichen arabischen Restaurant ein, das ich regelmäßig besuchte. Ich trat wie gewöhnlich ein, setzte mich an einen kleinen Tisch und öffnete meine dritte Übersetzung der Bedeutung des Qur´an dort, wo ich aufgehört hatte, zu lesen. Ich dachte, ich könnte die Lunchzeit auch zum Lesen nutzen. Augenblicke später wurde ich gewahr, dass Mahmoud an meiner Schulter war und meine Bestellung erwartete. Er blickte auf das Buch, das ich las, sagte aber nichts darüber. Nachdem er meine Bestellung aufgenommen hatte, kehrte ich zu meiner Einsamkeit des Lesens zurück.
Ein paar Minuten später kam Mahmouds Frau, Iman, eine amerikanische Muslima, die Hijab (Kopftuch) und ein unauffälliges Kleid trug, das ich mittlerweile mit weiblichen Muslimen in Verbindung setzte, und brachte meine Bestellung. Sie sah mich Qur´an lesen und fragte freundlich, ob ich Muslim sei. Das Wort hatte meinen Mund verlassen, noch bevor es durch irgendein gutes Benehmen oder Höflichkeit modifiziert werden könnte: "Nein!" Dieses einzige Wort wurde so kraftvoll ausgestoßen und mit mehr als einen Hinweis auf Erregbarkeit. Damit zog sich Iman höflich von meinem Tisch zurück.
Was geschah mit mir? Ich hatte mich so grob und irgendwie aggressiv verhalten. Was hatte diese Frau getan, dass sie deratiges Benehmen von mir verdiente? War ich das? Dank meiner Erziehung benutzte ich noch immer "Sir" (mein Herr) und "Ma´am" (meine Dame), wenn ich mich an Verkäufer oder Kassierer wandte, die mich in Läden bedienten. Ich konnte so tun, als würde ich mein eigenes Lachen nicht bemerken, aber ich konnte nicht beginnen, derartiges unbewusstes Verhalten zu ignorieren. Meine Lektüre wurde beiseite gelegt, und ich sann die ganze Mahlzeit lang über diese Wendung der Ereignisse nach. Je mehr ich nachdachte, desto schuldiger fühlte ich mich für mein Verhalten. Ich wusste, wenn Iman mir die Rechnung am Ende der Mahlzeit brachte, würde ich das richtigstellen müssen. Wenn kein anderer Grund vorläge, so würde es einfach schon die Höflichkeit verlangen. Außerdem war ich wirklich ziemlich beunruhigt, wie unmöglich ich auf ihre harmlose Frage geantwortet hatte. Was ging in mir vor, dass ich so ungehalten auf so eine einfache und direkte Frage antwortete? Warum führte diese eine, einfache Frage zu derartigem untypischen Verhalten von meiner Seite?
Später, als Iman mit der Rechnung kam, versuchte ich eine umständliche Entschuldigung, indem ich sagte: "Es tut mir leid, ich war ein bisschen schroff, als ich ihre Frage vorhin beantwortete. Wenn sie mich fragen würden, ob ich glaube, dass Muhammad einer der Propheten des einen Gottes ist, dann ist meine Antwort ´ja´." Sie sagte darauf sehr nett und sehr unterstützend: "Ist schon in Ordnung. Es dauert bei manchen Leuten ein wenig länger als bei anderen."
Vielleicht wird derjenige, der dies liest, so freundlich sein, die psychologischen Spiele zu bemerken, die ich mit mir selbst spielte, ohne zu hart an meinem mentalen Zustand und Verhalten zu rütteln. Ich wusste, dass ich auf meine eigene Art und Weise, meine eigenen Worte benutzend, gerade die Schahada, das islamische Glaubnsbekenntnis ausgesprochen hatte, d.h. "Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist." Allerdings nachdem ich dies gesagt hatte, und nachdem ich erkannt hatte, was ich gesagt hatte, konnte ich immer noch mein altes, bekanntes Etikett der religiösen Identität wieder aufhängen. Ich hatte schließlich nicht gesagt, ich sei Muslim. Ich war einfach ein Christ, wenngleich ein atypischer Christ, der willens war, zu sagen, dass es einen Gott gibt, keine dreifaltige Gottheit, und der willens war, zu sagen, dass Muhammad einer der Propheten war, die von Gott inspiriert worden waren. Wenn ein Muslim mich als Muslim akzeptieren wollte, dann war das seine oder ihre Sache, und sein oder ihr Etikett der religiösen Zugehörigkeit. Allerdings war es nicht meines. Ich dachte, ich hätte meinen Weg aus meiner Krise mit der religiösen Identität gefunden. Ich war ein Christ, der vorsichtig erklären würde, dass ich dem islamischen Glaubensbekenntnis zustimme und bereit bin, es zu bezeugen. Nachdem ich meine verdrehte Erklärung abgegeben hatte und die englische Sprache zerlegt hatte, konnten andere mir das Etikett anhängen, welches auch immer sie wollten. Es war ihrs, und nicht meins.
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