Das Neue Testament
Beschreibung: Ein Einblick, was jüdisch-christliche Gelehrte über die Authenzität und Bewahrung des Neuen Testaments sagen.
- von Laurence B. Brown, MD
- Veröffentlicht am 31 Mar 2008
- Zuletzt verändert am 13 Jan 2020
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Both read the Bible day and night,
(Beide LESEN die Bibel Tag und Nacht)
But thou read’st black where I read white.
(Aber wo du schwarz liest, lese ich weiß.)
—William Blake, The Everlasting (Die Unendliche)
Evangelium
Natürlich ist William Blakes Gefühl in dem Zitat oben nichts Neues. Das Neue Testament enthält genügend Ungereimtheiten, um eine schwindelerregenden Vielfalt an Auslegungen, Glaubensrichtungen und Religionen zu erzeugen, alle vermeintlich bibeltreu. Und so finden wir einen Schriftsteller, der die amüsante Beobachtung machte:
You can and you can’t,
(Du kannst und du kannst nicht,)
You shall and you shan’t,
(Du solltest und du solltest nicht,)
You will and you won’t,
(Du wirst und du wirst nicht,)
And you will be damned if you do,
(Und du wirst verdammt, wenn du es tust,)
And you will be damned if you don’t.
(Und du wirst verdammt, wenn du es nicht tust.)[1]
Warum solche abweichenden Ansichten? Um zu Beginnen: unterschiedliche theologische Lager sind darüber uneins, welche Bücher in der Bibel enthalten sein sollten. Die Apokryphen der einen sind die Schriften der anderen. Zweitens: selbst bei diesen Büchern, die heilig gesprochen worden sind, fehlt es aufgrund der vielfältigen Textquellen an Einheitlichkeit. Dieser Mangel an Einheitlichkeit ist so allgegenwärtig, dass das The Interpreter’s Dictionary of the Bible feststellt: “Man kann mit Sicherheit sagen, dass es nicht einen Satz im Neuen Testament gibt, bei dem die Überlieferung des MS (Manuskripts) völlig gleich ist.”[2]
Kein einziger Satz? Wir können keinem einzigen Satz der Bibel trauen? Kaum zu glauben!
Mag sein
Tatsache ist, dass es über 5700 griechische Manuskripte von allen Teilen des Neuen Testaments gibt.[3] “Nicht zwei von diesen Manuskripten sind in allen ihren Einzelheiten genau gleich... Und manche dieser Unterschiede sind bedeutend.[4] Dazu kommen grob geschätzt zehn tausend Manuskripte der Lareinischen Vulgata, ergänzt von zahlreichen uralten Varianten (syrisch, koptisch, armenisch, georgianisch, äthiopisch, nubisch, gothisch, slavisch) – und was haben wir?
Viele Manuskripte
Viele Manuskripte gibt es, die nicht an den entsprechenden Stellen übereinstimmen und sich nicht selten gegenseitig widersprechen. Gelehrte schätzen die Zahl derManuskriptvariationen auf hunderttausende, manche schätzen sie sogar auf 400,000.[5] Bart D. Ehrman’s jetzt berühmte Aussage dazu: “Es ist möglicherweise am einfachsten, die Dinge in einem Vergleich auszudrücken: es gibt in unseren Manuskripten mehr Unterschiede, als es Worte im Neuen Testament gibt.”[6]
Wie konnte dies passieren?
Armselige Berichterstattung. Unehrlichkeit. Inkompetenz. Vorurteile in der Doktrin. Nimm deinen Spieß.
Keines der Originalmanuskripte hat seit der frühen Zeit des Christentums überlebt.[7]/[8] Die ältesten vollständigen Manuskripte(Vatican MS. No. 1209 und der Sinaitische Syrische Kodex) stammen aus dem vierten Jahrhundert, dreihundert Jahre nach der Berufung Jesu´. Aber die Originale? Verloren gegangen. Und die Kopien der Originale? Auch verloren gegangen. Unsere ältesten Manuskripte sind mit anderen Worten Kopien von den Kopien von den Kopien von keiner-weiß-wie-vielen-Kopien von den Originalen.
Kein Wunder, dass sie sich unterscheiden
In den besten Händen wären Kopierfehler keine Überraschung. Allerdings waren die Manuskripte des Neuen Testaments nicht in den besten Händen. Während der Zeit der christlichen Originale waren die Schreiber ungeübt, unglaubwürdig, inkompetent und in manchen Fällen ungebildet.[9] Jene, die unter Sehschwäche litten, können Fehler mit ähnlich aussehenden Buchstaben oder Worten gemacht haben, wohingegen solche mit Gehördefiziten Fehler bei der Wiedergabe der Schrift gemacht haben, wenn sie laut verlesen wurde. Häufig waren die Schreiber überarbeitet und neigten dementsprechend zu Fehlern aufgrund ihrer Müdigkeit.
Mit den Worten Metzgers und Ehrmanns: “Da die meisten, wenn nicht alle, von ihnen [den Schreibern] in der Kunst des Kopierens ungeübt waren, schlich sich eine relativ große Menge von Fehlern in ihre Texte ein, als sie diese reproduzierten.”[10] Schlimmer noch, dass manche Schreiber erlaubten, Vorurteile in der Doktrin mit in ihre Übertragung des Schriften mit einfließen zu lassen.[11] Wie Ehrmann feststellt: “Die Schreiber, die die Texte kopierten, veränderten sie.”[12] Noch genauer: “Die Zahl der Abänderungen, die im Interesse der Doktrin vorgenommen wurden, ist nur schwer festzustellen.”[13] Und sogar noch genauer: “In der technischen Ausdrucksweise der Textkritik – die ich für ihre bedeutenden Ironien beibehalte – diese Schreiber haben ihre Texte aus theologischen Gründen verfälscht.”[14]
Fehler wurden in Form von Zusätzen, Weglassungen, Ergänzungen und Veränderungen eingefügt, gewöhnlich Worte oder Zeilen, aber gelegentlich auch ganze Verse.[15] [16] In der Tat “kamen zahlreiche Änderungen in den Text”[17] mit dem Ergebnis, dass “alle bekannten Zeugnisse des Neuen Testaments in größerem oder geringerem Ausmaß gemischte Texte sind, und sogar verschiedene der frühesten Manuskripte sind nicht frei von haarsträubenden Fehlern”.[18]
In Misquoting Jesus, präsentiert Ehrman überzeugende Beweise dafür, dass die Geschichte von der Frau, die des Ehebruchs beschuldigt wurde (Johannes 7:53-8:12) und die letzten zwölf Verse des Markusevangeliums nicht in den Originalevangelien enthalten waren, sondern von späteren Schreibern eingefügt worden sind.[19] Darüberhinaus repräsentieren diese Beispiele “lediglich zwei von tausenden Stellen, an denen die Manuskripte des Neuen Testaments von den Schreibern geändert worden sind.”[20]
Tatsächlich wurden ganze Bücher in der Bibel verfälscht.[21] Das bedeutet nicht, dass ihr Inhalt unbedingt falsch sein muss, aber mit Sicherheit heißt es nicht, dass er richtig ist. Welche Bücher also wurden verfälscht? Epheser, Kolosser, 2 Thessalonicher, Titus, 1 und 2 Petrus, und Judas – umwerfende neun von den 27 Büchern des Neuen Testaments – sind auf die eine oder andere Art suspekt.[22]
Verfälschte Bücher? In der Bibel?
Warum sind wir nicht überrascht? Letzten Endes sind sogar die Autoren der Evangelien unbekannt. Sie sind tatsächlich anonym.[23] Bibelgelehrte schreiben die Urheberschaft der Evangelien selten, wenn überhaupt, Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes zu. Wie uns Ehrmann mitteilt: “Heutzutage haben die meisten Gelehrten diese Identifikationen aufgegeben und erkennen an, dass die Bücher von in dieser Hinsicht unbekannten aber gut ausgebildeten, griechisch sprechenden (und schreibenden) Christen während der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts geschrieben worden sind.[24] Graham Stanton bestätigt: “Die Evangelien, unterschiedliche meist griechisch-römische Schriften, sind anonym. Die bekannten Überschriften, die den Namen eines Autors (´Das Evangelium des ...´) angeben, waren kein Teil des Originalmanuskripts, denn sie wurden erst früh im zweiten Jahrhundert hinzugesetzt.”[25]
Was also, wenn überhaupt, hatten die Jünger Jesu´ mit den Verfassern der Evangelien zu tun? Wenig bis gar nichts, soweit wir wissen. Aber wir haben keinen Grund zu glauben, dass sie irgendwelche der biblischen Bücher verfasst haben können. Lasst uns zuerst mit Markus beginnen, der war ein Sekretär des Petrus und Lukas ein Gefährte von Paulus. Die Verse von Lukas 6:14-16 und Matthäus 10:2-4 zählen die zwölf Jünger auf, und obgleich sich diese Listen in zwei Namen unterscheiden, tauchen Markus und Lukas in keiner Liste auf. Also waren nur Matthäus und Johannes wahre Jünger. Aber weit gefehlt, für moderne Gelehrte scheiden auch sie als Autoren aus.
Warum?
Gute Frage. Johannes ist der bekanntere von den beiden, warum sollten wir ihn von der Möglichkeit, das Evangelium des `Johannes” verfasst zu haben, ausschließen?
Hmm … weil er tot war?
Vielfältige Quellen bemerken, dass es keinen Beweis dafür gibt, außer fragwürdige Bezeugungen von Verfassern aus dem zweiten Jahrhundert, um zu vermuten, dass der Jünger Johannes der Verfasser des “Johannes” Evangeliums sei.[26] [27] Die vielleicht überzeugendste Widerlegung ist, dass der Jünger Johannes wahrscheinlich um 98 nChr gestorben ist.[28] Das Evangelium des Johannes wurde jedoch 110 nChr geschrieben.[29] Also, wer auch immer Lukas (Paulus´ Gefährte), Markus (Petrus´Sekretär) und Johannes (der Unbekannte, aber sicherlich nicht der längst Verstorbene) waren, wir haben nicht den geringsten Grund glauben zu können, die Evangelien seien von den Jüngern Jesu´ verfasst worden....
Copyright © 2007 Laurence B. Brown; mit dessen Einverständnis.
Der obrige Auszug stammt aus Dr. Browns in Erscheinen begriffenen Buch MisGod´ed, das bald zusammen mit seiner Fortsetzung God´ed publiziert wird. Beide Bücher können auf Dr. Browns Website eingesehen werden:. www.LevelTruth.com. Dr. Brown kann kontaktiert werden unter: BrownL38@yahoo.com
Footnotes:
[1] Dow, Lorenzo. Reflections on the Love of God.
[2] Buttrick, George Arthur (Ed.). 1962 (1996 Print). The Interpreter’s Dictionary of the Bible. Volume 4. Nashville: Abingdon Press. S. 594-595 (Under Text, NT).
[3] Ehrman, Bart D. Misquoting Jesus. S. 88.
[4] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 78.
[5] Ehrman, Bart D. Misquoting Jesus. S. 89.
[6] Ehrman, Bart D. The New Testament: A Historical Introduction to the Early Christian Writings. S. 12.
[7] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 49.
[8] Metzger, Bruce M. A Textual Commentary on the Greek New Testament. Introduction, S. 1.
[9] Ehrman, Bart D. Lost Christianities and Misquoting Jesus.
[10] Metzger, Bruce M. and Ehrman, Bart D. The Text of the New Testament: Its Transmission, Corruption, and Restoration. S. 275.
[11] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 49, 217, 219-220.
[12] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 219.
[13] Metzger, Bruce M. and Ehrman, Bart D. The Text of the New Testament: Its Transmission, Corruption, and Restoration. S. 265. Siehe auch Ehrman, Orthodox Corruption of Scripture.
[14] Ehrman, Bart D. 1993. The Orthodox Corruption of Scripture. Oxford University Press. S. xii.
[15] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 220.
[16] Metzger, Bruce M. A Textual Commentary on the Greek New Testament. Introduction, S. 3
[17] Metzger, Bruce M. A Textual Commentary on the Greek New Testament. Introduction, S. 10.
[18] Metzger, Bruce M. and Ehrman, Bart D. The Text of the New Testament: Its Transmission, Corruption, and Restoration. S. 343.
[19] Ehrman, Bart D. Misquoting Jesus. S. 62-69.
[20] Ehrman, Bart D. Misquoting Jesus. S. 68.
[21] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 9-11, 30, 235-6.
[22] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 235.
[23] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 3, 235. Siehe auch Ehrman, Bart D. The New Testament: A Historical Introduction to the Early Christian Writings. S. 49.
[24] Ehrman, Bart D. Lost Christianities. S. 235.
[25] Stanton, Graham N. S. 19.
[26] Kee, Howard Clark (Notes and References by). 1993. The Cambridge Annotated Study Bible, New Revised Standard Version. Cambridge University Press. Introduction to gospel of ‘John.’
[27] Butler, Trent C. (General Editor). Holman Bible Dictionary. Nashville: Holman Bible Publishers. Under ‘John, the Gospel of’
[28] Easton, M. G., M.A., D.D. Easton’s Bible Dictionary. Nashville: Thomas Nelson Publishers. Under ‘John the Apostle.’
[29] Goodspeed, Edgar J. 1946. How to Read the Bible. The John C. Winston Company. S. 227.
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