Raphael Narbaez, Jr., Priester der Zeugen Jehovas, USA (teil 1 von 2)
Beschreibung: Ein Pionier-Priester und Komiker desillusioniert von seinem Glauben.
- von Raphael Narbaez, Jr.
- Veröffentlicht am 22 Sep 2008
- Zuletzt verändert am 22 Sep 2008
- Gedruckt: 424
- Gesehen: 17,769 (Tagesmittelwerte: 3)
- Bewertet von: 132
- Emailed: 0
- Kommentiert am: 0
Der zweiundvierzig jährige Latino, Raphael, ist Komiker und Prediger in Los Angeles. Er wurde in Texas geboren, wo er auch schon im Alter von sechs an seinem ersten Treffen der Zeugen Jehovas teilnahm. Er hielt seine erste Bibelpredigt (bald nachdem er dreizehn war), führte mit zwanzig seine erste Gemeinde und strebte unter den 904.000 Zeugen Jehovas in den USA eine Führungsposition an. Aber er tauschte seine Bibel gegen den Qur´an ein, nachdem er einen Besuch bei der ortsansässigen Moschee tapfer überstanden hat.
Am 1.November 1991 nahm er den Islam an und beglückte die muslimische Gemeinde mit den organisatorischen und rednerischen Fähigkeiten, die er sich bei den Zeugen Jehovas angeeignet hatte. Er spricht mit der Dringlichkeit eines neuen Konvertierten, aber er ist einer, der die immigrierten Muslime über sich selbst zum Lachen bringt.
Er erzählte seine Geschichte, indem er eine Reihe von Charakteren nachahmt.
Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Diskussion, als wir alle im Wohnzimmer meiner Eltern saßen, und es waren noch ein paar andere Zeugen Jehovas da. Sie sprachen über: "Es ist Armageddon! Das Ende der Zeit! Und Christ wird Kommen! Und wisst ihr, die Hagelkörner werden so groß wie Autos sein! Gott wird alle möglichen Dinge benutzen, um dieses verfluchte System zu zerstören und die Regierungen zu beseitigen! Und die Bibel spricht davon, dass die Erde sich öffnet! Sie wird ganze Stadtteile verschlucken!"
Ich habe Todesängste! Und dann drehte sich meine Mutter um: "Siehst du, was passiert, wenn du nicht getauft wirst und wenn du Gottes Willen nicht gehorchst? Die Erde wird dich verschlingen oder eines dieser riesigen Hagelkörner wird dich am Kopf treffen [klonk], k o schlagen und du wirst nicht mehr existieren. Ich werde ein anderes Kind machen müssen."
Ich wollte nicht von einem dieser großen Hagelkörner getroffen werden. Also wurde ich getauft. Aber natürlich glauben die Zeugen Jehovas nicht an das Besprenkeln mit Wasser. Sie tauchen dich vollständig unter, halten dich für eine Sekunde unter Wasser und dann lassen sie dich wiederrauskommen.
Ich tat das im Alter von dreizehn, am 7. September 1963 in Pasadena, Californien, im Rosenstadion. Es war eine große internationale Versammlung. Wir waren 100.000 Menschen. Und wir fuhren die ganze Strecke von Lubbock, Texas.
Schließlich begann ich, größere Vorträge zu halten – zehn Minuten vor der Versammlung. Ein Kirchendiener empfahl mir, die stündlichen Vorträge am Sonntag zu halten, wenn sie die allgemeine Öffentlichkeit einladen. Solche Reden waren normalerweise den Älteren der Gemeinschaft vorbehalten.
[Mit autoritärer Stimme:] “Sicherlich ist er jung, aber er kann damit umgehen. Er ist ein guter christlicher Junge. Er hat keine Laster und er ist seinen Eltern gehorsam und scheint ziemlich gute Bibelkenntnisse zu haben.”
Also begann ich im Alter von sechzehn einstündige Vorträge vor der ganzen Versammlung zu halten. Zuerst wurde ich einer Gruppe in Sweetwater, Texas, zugeordnet und dann bekam ich schließlich in Brownfield, Texas, meine erste Gemeinde. Mit zwanzig wurde ich das, was sie einen Pionier-Priester nennen.
Die Zeugen Jehovas verfügen über ein sehr hochentwickeltes Trainingsprogramm, und sie besitzen auch eine Art Quotensystem. Du musst zehn bis zwölf Stundenpro Monat für Tür-zu-Tür Predigten opfern. Es ist wie Verkaufstraining. IBM hat nicht einmal solche Vertreter.
Als ich also Pionier-Priester wurde, opferte ich den Großteil meiner Freizeit für die Tür-zu-Tür Mission. Ich machte das um die 100 Stunden pro Monat, und ich hatte an sieben Bibelstudien teilzunehmen. Ich begann, in anderen Gemeinden Vorträge zu halten. Ich bekam eine Menge Verantwortung und ich wurde an einer Schule in Brooklyn, New York angenommen. Einer Eliteschule der Zeugen Jehovas für die Creme de la Creme, das beste Prozent. Aber ich ging nicht hin.
Ein paar Dinge machten keinen Sinn mehr. Zum Beispiel das Quotensystem. Es schien mir, jedes Mal, wenn ich mich bewegte und eine andere Stelle mit Verantwortung annehmen wollte, musste ich diese weltlichen materiellen Dinge tun, um meine Frömmigkeit unter Beweis zu stellen. Das ist so, wie wenn du diesen Monat die Quote erfüllst, liebt Gott dich. Wenn du nächsten Monat die Quote nicht erfüllst, dann liebt Gott dich nicht. Das machte nicht viel Sinn. Einen Monat liebt mich Gott und einen Monat nicht?
Wir kritisierten die katholische Kirche, denn sie hatten einen Mann, einen Priester, dem sie beichten mussten. Und wir sagten: "Ihr solltet nicht bei einem Mann die Beichte über eure Sünden ablegen! Eure Sünden müsst ihr vor Gott bereuen!” Und dann gingen wir zu einer Gruppe Älterer. Ihr beichtet ihnen eure Sünden und sie halten euch hin und sagen, wartet mal. [Älterer als Telefonberater:] “Warte mal eben eine Minute...Was meinst Du, Herr? Nein?... Okay, tut mir leid, wir versuchten unser Bestes, aber du bist nicht reuig genug. Also entweder verlierst du die Zugehörigkeit zur Kirche oder du bekommst Bewährung.”
Wenn sich die Sünde gegen Gott richtet, sollte ich mich dann nicht direkt an Gott wenden und Ihn um Gnade anflehen?
Vielleicht war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, dass ich bemerkte, dass sie ihre Bibel immer weniger lasen. Die Zeugen Jehovas haben für alles Bücher, die von der Wachturm Bibel und Tract Society herausgegeben werden. Die einzigen Menschen auf dem gesamten Planeten, die wissen, wie man die Bibelschriften korrekt interpretiert, ist jene Gruppe von Menschen, das Kommitee in Brooklyn, das den Zeugen Jehovas auf der ganzen Welt vorschreibt, wie sie sich zu bekleiden haben, wie sie reden sollen, was sie sagen sollen, was sie nicht sagen sollen, wie die Schriften anzuwenden sind und wie die Zukunft aussehen wird. Gott sagte es ihnen, damit sie es uns erzählen können. Ich würdigte die Bücher. Aber wenn die Bibel das Buch des Wissens ist und wenn sie Gottes Anweisungen enthält, sollten wir dann nicht unsere Antworten aus der Bibel erhalten? Paulus selbst sagte, findet für euch selbst heraus, welches das wahre und annehmbare Wort Gottes ist. Laßt nicht die Menschen euren Ohren schmeicheln.
Ich begann zu sagen: "Kümmere dich nicht so sehr darum, was der Wachturm sagt – lies die Bibel selbst." Die Ohren begannen, sich zu spitzen.
[Alter Südstaatler sagt betont langsam:] “Ich denke, wir haben einen Abtrünnigen hier, Richter. Ich denke dieser alte Junge hat eine Schraube locker.”
Sogar mein Vater sagte: "Sieh dich lieber vor, junger Mann, das ist der Teufel, der so spricht. Es ist der Teufel, der versucht, sich einzuschleichen und eine Spaltung herbeizuführen.”
Ich sagte: "Vater, es ist nicht der Teufel. Die Menschen brauchen nicht so viel von den anderen Büchern zu lesen. Sie können ihre Antworten im Gebet und in der Bibel finden.”
Spirituell fühlte ich mich nicht mehr behaglich. 1979 verließ ich sie in dem Wissen, dass ich keine Fortschritte mehr machen konnte, missgelaunt und mit einem schlechten Geschmack im Mund, denn mein ganzes Leben lang hatte ich meine Seele, mein Herz und meinen Geist der Kirche gewidmet. Genau das war das Problem. Ich hatte es nicht Gott gewidmet. Ich widmete mich einer von Menschen gemachten Organisation.
Ich konnte nicht zu einer anderen Religion gehen. Als ein Zeuge Jehovas, so war mir eingetrichtert worden, dass die Schriften alle verkehrt seien. Dass Götzendienst schlecht ist. Dass die Dreieinigkeit nicht existiert.
Ich war wie ein Mann ohne Religion. Ich war nicht wie ein Mann ohne Gott. Aber wohin sollte ich mich wenden?
1985 entschloss ich mich, nach Los Angeles zu gehen, kam in die Johnny Carson Show und machte mir als großartiger Komiker und Schauspieler einen Namen. Ich hatte immer gefühlt, dass ich zu etwas geboren sei. Ich wußte nur nicht, ob ich das Heilmittel für Krebs finden würde oder ob ich ein Schauspieler war. Ich betete weiter und nach einer Weile wurde ich frustriert.
Also ging ich einfach zur katholischen Kirche in der Nähe meines Hauses und ich probierte es. Ich erinnere mich, es war Aschermittwoch und ich hatte das Aschekreuz an meiner Stirn. Ich versuchte alles, so gut ich konnte. Ich ging zwei oder drei Monate dorthin, und ich konnte einfach nicht mehr, Mann. Es war:
Aufstehen. Hinsetzen.
Aufstehen. Hinsetzen.
Okay, streck deine Zunge heraus.
Ich hatte eine Menge Bewegung. Ich denke, ich habe so um die fünf Kilo abgenommen. Aber das war´s. Jetzt war ich noch verlorener als vorher.
Aber nie kam mir in den Kopf, dass es keinen Schöpfer gäbe. Ich habe Seine Telefonnummer, aber die Leitung ist immer besetzt. Ich mache meine kleinen Kurzfilme. Ein Film mit dem Titel: Tödliche Absicht. Eine Telefonwerbung in Chicago. Eine Exxon-Werbung. Ein paar Bankwerbungen. In der Zwischenzeit machte ich nebenbei Bauarbeiten.
Fügen Sie einen Kommentar hinzu