Dr. Moustafa Mould, Ex-Jude, USA (Teil 2 von 5)
Beschreibung: Nach einer spirituellen Reise von fast 40 Jahren findet ein jüdischer Linguist aus Boston in Afrika den Islam. Teil 2.
- von Dr. Moustafa Mould
- Veröffentlicht am 08 May 2017
- Zuletzt verändert am 14 May 2017
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Ich besuchte auch eine höhere "Madrasa", studierte jüdische Geschichte, Hebräisch, Thora und zusätzlich Aramäisch und Talmud (jüdischen Fiqh); obwohl mein Hauptinteresse den Sprachen galt. Zu jener Zeit, mit fünfzehn, verlor ich meinen Glauben an Gott. Früher hatte ich den Schluss gezogen, dass wenn Gott uns befiehlt, bestimmte Dinge zu tun, wie konnte ich sie dann nicht tun; da versuchte ich, orthodoxer zu sein. Dann eines Tages erwischte ich mich dabei zu sagen, wenn Gott sagt, dass wir dies alles tun sollen, ist das ein Muss; doch was, wenn kein Gott da ist? Glaube ich an Gott? Ich weiß es wirklich nicht, vielleicht nicht, ich schätze mal nicht. Und wenn Gott nicht existiert, brauche ich dieses Ganze nicht zu tun. Und ich hörte auf. Du kannst dir gut vorstellen, wie aufgebracht mein Vater gewesen ist.
Viele Menschen, vor allem römisch-katholische und fundamentalistische Protestanten, die in einem streng-religösen Umfeld aufgewachsen sind, voller Bedrohlichkeit des Höllenfeuers und der Verdammung, geschlagen von den Nonnen in der Schule und sich schuldig fühlend für Dinge, die lediglich Teil der Fitrah (Natur) sind – wie ihre Körper - sind froh, aus der Religion heraus zu kommen, und werden tatsächlich sehr anti-religiös und fühlen sich so, als wären sie von einem Gefängnis befreit! Mein Gefühl war nicht so, ich fühlte mich traurig, als hätte ich einen Verlust erlitten, doch da war nichts, das ich tun konnte; ich wußte, es wäre tröstlich zu glauben, aber ich konnte es nicht. In den 60ern und 70ern bekam ich gelegentlich diese Gefühle und Sehnsüchte.
Wie Jeffrey Lang in seinem Buch über seine Konvertierung zum Islam sagte: Es gibt Leere und Einsamkeit, die ein Atheist fühlt, die Menschen, die glauben, nicht verstehen können. Die Welt ist absurd, ein Unfall. Die Wissenschaft hat die Antworten oder wird sie haben, aber das Leben besitzt keinen wirklichen Sinn oder Bedeutung. Tod ist endgültig. Du kannst durch deine Kinder Einfluss auf die Welt nehmen; du kannst Gutes tun, du kannst hunderte oder sogar tausende von Jahren in Geschichtsbüchern genannt werden; wenn die Sonne stirbt, könnte die Menschheit andere Sternsysteme kolonialisieren, vielleicht sogar andere Galaxien. Aber letzten Endes, auch wenn es 15 Milliarden Jahre dauert, wird das Universum selbst sterben oder in ein schwarzes Loch oder was auch immer kollabieren, und am Ende steht das absolute Nichts, das einzige, das unendlich ist, ist eine Leere. Leben ist dann bedeutungslos, und Tod beängstigend. Wahrheit und Sittlichkeit können relativ werden, was zu moralischer Konfusion, Hedonismus und schlimmerem führt. Doch anstatt der Verachtung für religiöse Menschen, die viele Atheisten zu fühlen vorgeben, respektierte ich sie, und oft bewunderte ich sie sogar für die Sicherheit, Gewissheit und den Trost, den sie erleben.
Ich wurde über Nacht vom Orthodoxen zu einem Atheisten, obwohl ich noch immer jüdische Sprachen, Kultur, Musik, Nahrung und Geschichte liebte. Ich war ein "ethnischer" Jude und immer noch Zionist. Zionismus war immer noch eine politische Philosophie, nicht so sehr eine religiöse. Tatsächlich gab es zu jener Zeit noch immer eine bedeutsame Opposition von vielen Orthodoxen. Der gegenwärtige religiöse, messianische Typ des Zionismus hat sich wirklich erst 1967 – 1973 entwickelt, als Israel Jerusalem besetzt hat. Ich beschoss ebenfalls, ein historischer Linguist zu werden, mit Spezialisierung auf semitische Sprachen, aber die Universitäten, die ich wählte, akzeptierten mich nicht und die, die es tat, bot kein Arabisch oder auch nur Linguistik.
An meiner Universität lernte ich in den frühen 60ern eine weite Bandbreite von Menschen kennen. Zum ersten Mal kannte ich eine große Menge Protestanten, Afro-Amerikaner und ausländische Studenten, die Muslime waren. Ich begegnete keinem Antisemitismus, und ich fing an, die Vielfältigkeit Amerikas und das Treffen internationaler Studenten zu genießen und zu schätzen. Am Ende meines zweiten Jahres aß ich Speck und Schweinekoteletts; gleichzeitig habe ich geholfen, die Campussektion der studentischen zionistischen Organisation zu bilden und war ihr Präsident geworden. Ich war in meinem Abschlussjahr der Vizepräsident in New England.
Viele von uns waren politisch linksgerichtet, weil wir aus Familien der Arbeiterklasse stammten, deren Spektrum von liberal demokratisch bis kommunistisch ging. Wir waren füe Arbeiter und die Amerikanische Union für Zivilrechte und gegen McCarty, Nixon und das Kommittee für nicht-amerikanische Aktivitäten. Wir verehrten Franklin D. Roosevelt, Hubert Humphrey und Adlai Stevenson. Wir waren für Arbeiter-Zionismus und Kibbuzim. Eine Sache, die ich betonen möchte, weil sie Jahre später einen tiefgründigen Effekt haben sollte: zu jener Zeit waren die meisten Juden Sozialisten oder liberale Demokraten, viele gehörten noch zur Arbeiterklasse, noch nicht so erfolgreich wie sie es heute sind. Ich erinnere mich an die rechte Herut Partei, ihre expansionistische Ideologie und die terroristischen Aktivitäten in den 40ern. Wir betrachteten sie als Fanatiker und Verrückte.
Ich schrieb mich für ein Seminar über den Mittleren Osten ein. Mit neunzehn dachte ich, ich wüßte alles. Mein Professor war Syrier und ich denke, er war Muslim. Ich brachte ihm ein paar Dinge bei. Er hatte eine bemerkenswerte Geduld und Toleranz mit mir, wenn man seine offensichtliche anti-zionistische, anti-israelische Haltung bedenkt. Seine Kritik meiner Schriften war objektiv und milde, hauptsächlich bewertete er sie als zu einseitig. Ich fing an, der anderen Seite mehr Aufmerksamkeit zu widmen, und mir wurde bewusst, wie viel Propaganda ich aufgesogen und wie viel Information ich außer acht gelassen hatte. Ich habe keine sehr gute Note erreicht, aber ich habe viel gelernt. Professor Haddad war es gewesen, der mich dafür sensibilisiert hat, dass man gleichzeitig säkular und religiös sein kann.
Zur gleichen Zeit beteiligte ich mich immer mehr an den Bewegungen für zivile Rechte und gegen den Vietnamkrieg. Ich trat dem gewaltlosen Koordinierungskommittee (SNCC) und der Nationalen Vereinigung zur Förderung farbiger Menschen (NAACP) bei und nahm an Sit-ins teil. Ich war darüberhinaus ein Gründungsmitglied des mäßig radikalen Flügels der "Studenten für eine demokratische Gesellschaft" (SDS) unseres Campus. Ich habe meinen Abschluß in Verwaltung, belegte verschiedene Kurse in Verfassungsrecht und internationalen Beziehungen. Ich ging im August 1963 nach Washington, D.C., um am "Marsch auf Washington" teilzunehmen und stand etwa 60 Fuß von Dr. King entfernt, als er seine wundervolle Rede hielt.
Ich hatte mit 15 meinen Glauben verloren und mit 22 den Zionismus. Ich besaß noch immer mein ethnisches Erbe, auch wenn ich begann, mich mit dem "Stammesbewußtsein" vieler Juden unwohl zu fühlen. Ich fühlte mich wie ein normaler Amerikaner, der für amerikanische Dinge kämpft. Ich bereitete mich darauf vor, Lehrer für Sozialwissenschaften zu werden, doch der Markt war nicht gut. Nach zwei Jahren Stubstituieren und einem zeitweiligen Posten an meiner alten Highschool, trat ich den Friedenstruppen bei, aus Abenteuerlust und dem Idealismus, dass dies meine späteren Jobaussichten verbessert - und um zu vermeiden, einberufen und nach Vietnam geschickt zu werden. Ich wurde ausgewählt, um nach Uganda, Ostafrika, zu gehen.
Ich war überaus glücklich in diesem wunderschönen Land, wo der Nil aus Lake Victoria fließt, lehrte Studenten in einer Gesellschaft, in der Lehrer respektiert werden. Ich lernte neue Sprachen und Kulturen. Ich entwickelte einen Geschmack für afrikanische und indio-pakistanische Küche. Da es in dem kleinen Dorf nicht viel zu tun gab, fing ich an, zu indischen Filmen zu gehen. Ich mochte besonders Mohammed Rafi, den berühmten Playbacksänger, besonders seine qawalis; er erinnerte mich an die Gesänge meines Vaters. Ich genoß auch die islamische, omanische Ambiente, das ich an der Küste fand: Mombasa, Dar es-Salam, Zanzibar. Es war das erste Mal kein Hollywood (oder Bombay) Film, dass ich den Adhan (Gebetsruf im Islam) hörte. Selbst in den Filmen schickte er mir ein Kribbeln durch den ganzen Körper. Ich lernte zwei afrikanische Sprachen, Swahili und Luganda. Swahili war für mich sehr leicht; die Hälfte der Vokabeln stammt vom Arabischen, teilweise dem Hebräischen gleich. Aber Swahili ist eine Bantusprache und ich war fasziniert von den Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Swahili und Luganda. Ich habe mich entschlossen: hier war meine letzte Chance das zu tun, was ich schon immer wollte - Linguistik - aber jetzt mit Bantu anstelle der semitischen Sprachen. Ich bewarb mich bei der Graduiertenschule.
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