Margaret Marcus, Ex-Jüdin, USA (teil 1 von 5)
Beschreibung: Margaret spricht über ihre frühe Kindheit mit der Sonntagsschule, dem Verlassen und Verachten jeglicher organisierter Religionen, und einen Kurs über Judentum und Islam, den sie an der Universität belegte.
- von Margaret Marcus
- Veröffentlicht am 02 Sep 2013
- Zuletzt verändert am 02 Sep 2013
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Q: Würdest du uns bitte erzählen, wie dein Interesse am Islam begann?
A: Ich war Margaret (Peggy) Marcus. Als kleines Kind besaß ich ein starkes Interesse an Musik und klassische Opern und Symphonien, die im Westen als hohe Kultur angesehen werden, hatten es mir besonders angetan. Musik war mein Lieblingsfach in der Schule, in dem ich immer die besten Noten hatte. Aus purem Zufall hörte ich im Radio arabische Musik, die mir so gut gefiel, dass ich entschlossen war, mehr davon zu hören. Ich ließ meine Eltern nicht in Ruhe, bis mein Vater mich schließlich in das syrische Viertel von New York City mitnahm und einen Stapel arabischer Schallplatten kaufte. Meine Eltern, Verwandten und Nachbarn dachten, Arabien und arabische Musik seien schrecklich sonderbar und für ihre Ohren so belastend, dass sie immer, wenn ich eine dieser Schallplatten auflegte, darum baten, dass ich alle Türen und Fenster meines Zimmers schließe, damit ich sie nicht störe! Nachdem ich 1961 den Islam angenommen habe, pflegte ich begeistert eine Stunde in der Moschee in New York zu sitzen und Kassettenaufnahmen von Tilawat [Qur´an- Rezitation] … von dem berühmten ägyptischen Qari, Abdul Basit zu hören. Aber beim Juma Salat (Freitagsgebeten) spielte der Imam keine Aufnahmen ab. An jenem Tag hatten wir einen besonderen Gast. Ein kleiner, sehr dünner und armselig bekleideter junger Mann, der sich selbst als Student aus Sansibar vorstellte, rezitierte Surah ar-Rahman [ein Kapitel aus dem Qur´an]. Ich habe nie eine herrliche Tilawat gehört, selbst nicht von Abdul Basit! Er besaß eine solche Stimme aus Gold; sicherlich…muss Bilal [ein Gefährte des Propheten, Gottes Segen und Frieden seien auf ihm, der mit dem Ruf zu den fünf täglichen Gebeten beauftragt war] ganz wie er geklungen haben!
Ich folge den Anfang meines Interesses am Islam auf das Alter von zehn zurück. Als ich an einer reformierten jüdischen Sonntagsschule teilnahm, faszinierte mich die historische Beziehung zwischen Juden und Arabern. Aus meinen jüdischen Schulbüchern erfuhr ich, dass Abraham sowohl der Vater der Araber als auch der Juden gewesen ist. Ich las wie Jahrhunderte später, als die Verfolgungen im mittelalterlichen Europa ihre Leben unmöglich machten, die Juden im muslimischen Spanien willkommen waren und dass es der Großmut dieser gleichen arabischen Zivilisation gewesen ist, die die hebräische Kultur stimuliert hat, um ihren höchsten Gipfel des Erfolges zu erreichen.
Völlig ahnungslos über die wahre Natur des Zionismus, habe ich naiv gedacht, die Juden wären nach Palästina zurückgekehrt, um ihre engen Verwandtschaftsbande in Religion und Kultur mit ihren semitischen Cousins zu bestärken. Ich glaubte, die Juden und Araber würden zusammen kooperieren, um ein weiteres Goldenes Zeitalter der Kultur im Mittleren Osten zu schaffen.
Trotz meiner Faszination von den Studien der jüdischen Geschichte, war ich überaus unglücklich mit der Sonntagsschule. Zu jener Zeit identifizierte ich mich stark mit dem jüdischen Volk in Europa, die dann ein schreckliches Schicksal unter den Nazis erlitten haben, und ich war entsetzt darüber, dass keiner meiner Klassenkameraden oder deren Eltern ihre Religion ernst nahmen. Während der Gottesdienste in der Synagoge pflegten die Kinder Comics verborgen hinter ihren Gebetsbüchern zu lesen und verächtlich über die Rituale zu lachen. Die Kinder waren so laut und so unordentlich, dass die Lehrer sie nicht in den Griff bekamen, und es sehr schwer fanden, die Klassen zu führen.
Zu Hause war die Atmosphäre für Religionsausübung wenig sympathischer. Meine ältere Schwester verabscheute die Sonntagsschule so sehr, dass meine Mutter sie morgens buchstäblich aus dem Bett zerren musste, und es ging nie ohne einen Kampf der Tränen und heißen Worte. Schließlich waren meine Eltern erschöpft und ließen sie aufhören. An den jüdischen großen Feiertagen haben wir anstatt zur Synagoge zu gehen und am Yom Kippur zu fasten, die Schule verlassen, um an Familien – Picknicks und Partys in feinen Restaurants teilzunehmen. Als meine Schwester und ich unsere Eltern davon überzeugt hatten, wie schlecht wir beide in der Sonntagsschule waren, traten sie einer agnostischen, humanitären Organisation bei, die als Ethical Culture Movement bekannt ist.
Das Ethical Culture Movement wurde im späten 19.Jahrhundert von Felix Alder gegründet. Als er für das Rabbinat studierte, kam Felix Alder zu der Überzeugung, dass die Hingabe an ethnische Werte als Relativwerte und von Menschen gemachte, die jede Übernatürlichkeit oder Theologie als irrelevant betrachteten, die einzige Religion darstellen, die für die modern Welt passend ist. Ich nahm an der Sonntagsschule der Ethical Culture jede Woche von elf bis zum Alter von 15 teil. Hier wuchs ich in völligem Einklang mit den Vorstellungen der Bewegung auf, und betrachtete alle traditionellen und organisierten Religionen mit Verachtung.
Als ich achtzehn Jahre alt war, wurde ich Mitglied der örtlichen zionistischen Jugendbewegung, die unter dem Namen Mizrachi Hatzair bekannt ist. Aber als ich herausgefunden habe, was die wahre Natur des Zionismus ist, der die Feindseligkeit zwischen Juden und Arabern unversöhnlich macht, verließ ich sie ein paar Monate später aus Ekel. Als ich zwanzig war und Studentin an der New York Universität, war einer meiner Wahlkurse den Titel Judentum im Islam. Mein Professor Rabbi Abraham Isaac Katsh, der Vorsitzende der Abteilung für hebräische Studien dort, sparte keine Mühen, um seine Studenten davon zu überzeugen -- alles Juden, von denen einige danach trachteten, Rabbis zu werden – dass der Islam vom Judentum abgeleitet sei. Unser Lehrbuch, das er selbst geschrieben hatte, nahm jeden Vers aus dem Qur´an und verfolgte ihn mühsam zu seinen angeblichen jüdischen Quellen zurück. Obwohl sein eigentliches Ziel gewesen war, seine Studenten von der Überlegenheit des Judentums zu überzeugen, überzeugte er mich diametral vom Gegenteil.
Ich entdeckte bald, dass Zionismus bloß eine Kombination aus den rassistischen, tribalistischen Aspekten des Judentums ist. Der moderne säkulare nationalistische Zionismus wurde in meinen Augen weiter diskreditiert, als ich lernte, dass nur wenige, wenn überhaupt irgendwelche Führer des Zionismus praktizierende Juden waren, und dass das traditionelle orthodoxe Judentum nirgends so gering geschätzt wird, wie in Israel. Als ich herausfand, dass fast alle wichtigen jüdischen Führer in Amerika den Zionismus unterstützten, dass sie nicht das geringste schlechte Gewissen hatten, aufgrund der furchtbaren Ungerechtigkeit, die sie den palästinensischen Arabern auferlegten, da konnte ich nicht länger ein Jude in meinem Herzen bleiben.
Eines Morgens im November 1954, argumentierte Professor Katsh, während seiner Vorlesung mit unanfechtbarer Logik, dass der Monotheismus, den Moses gelehrt hatte (der Friede und Segen Gottes sei auf ihm) und die Göttlichen Gesetze, die ihm offenbart worden waren, seien als Grundlage für alle höheren ethnischen Werte unverzichtbar. Wenn die Moralvorstellungen rein von Menschen gemacht seien, wie es die Ethical Culture und andere agnostische und atheistische Philosophien lehren, dann könnten sie durch den Willen, durch bloße Laune, Bequemlichkeit oder Umstände verändert werden. Das Resultat wäre ein völliges Chaos, das die Einzelnen und die Gemeinschaft in den Ruin führen würde. Der Glaube an das Jenseits, wie es die Rabbis im Talmud lehrten, argumentierte Professor Katsh, sei nicht nur wünschenswert, sondern eine moralische Notwendigkeit. Nur diejenigen, die fest daran glaubten, dass jeder von uns am Tag des Gerichts von Gott herbei gerufen wird um einen vollständigen Bericht über unser Leben auf der Erde abzulegen, und dem entsprechend belohnt oder bestraft zu werden, wird über die Selbstdisziplin verfügen, um vergängliche Vergnügen zu opfern und Entbehrungen und Opfer zu ertragen, um dauerhaft Gutes zu erreichen.
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